DRIVE: The Suprising Truth about What Motivates Us

DRIVE-Daniel PinkDaniel H. Pink:
Drive: The Suprising Truth about What Motivates Us

Ja, was motiviert und uns wirklich? Sie, mich, den Menschen im Allgemeinen. Daniel Pink ist dieser Frage nachgegangen und hat empirische Daten, die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu aufgearbeitet. Und eine zentrale Frage zieht sich durch das Buch: Warum klafft die wissenschaftliche Theorie und die gelebte Praxis in Bezug auf menschliche Motivation so weit auseinander?
Was sagt nun die Theorie?

Motivation 1.0

An den Beginn stellt Daniel Pink die Motivation 1.0:
Wie komme ich zu Nahrung?
Wie schütze ich mich vor Säbelzahntigern?
urmenschenWie kann ich mich vermehren?
Die Motivation für den Menschen ist die Befriedigung der Grundbedürfnisse, der untersten Ebenen der Maslowschen Bedürfnispyramide.
Hier wird auf unsere frühesten Ahnen verwiesen, die jeden Tag um ihr überleben kämpften.

Motivation 2.0

Im Laufe der Jahrtausende, durch die Entwicklung sozialer Strukturen, wurde eine weitere Ebene der Motivation kultiviert, um das Zusammenleben auf engerem Raum überhaupt zu ermöglichen:
Carrot_and_StickWir Menschen suchen Belohnung und Anerkennung und vermeiden Bestrafung und Ablehnung.
In der Arbeitswelt findet dieser menschliche Antrieb durch
Frederick W. Taylor in seinem „scientific management“ Anwendung und kommt ab 1900 mit dem Einsatz der Massenproduktion im Taylorismus zu einem Höhepunkt:
‚Zuckerbrot und Peitsche‘ im Lohnsystem bewegt die Arbeiter zur Leistungserbringung – was bis in die heutige Zeit in vielen Teilen der Erde selbstverständlich und nach wie vor notwendig scheint.

Erste Zweifel an Motivation 2.0

Harry Harlows Mechanic PuzzleUm 1949 beschrieb Harry F. Harlow –
als Nebeneffekt eines Experiments mit Rhesusaffen – wie diese sich mit einem mechanischem Rätsel beschäftigen und üben, bis sie es geschickt lösen können.
Weder Motivation 1.0 noch Motivation 2.0 können dabei im Spiel sein, da diese Beschäftigung keine existenziellen Grundbedürfnisse befriedigt, noch Belohnung oder Bestrafung nach sich zieht.
Harlow mutmaßte, dass es einen weiteren motivationalen Antrieb geben müsse.

Und es kam noch überraschender: Als Harlow begann, die Affen für die richtige Lösung mit Rosinen zu belohnen, stieg die Anzahl der Fehler und das Puzzle wurde weniger oft gelöst.

Erst 1969 griff Edward Deci diese Beobachtung wieder auf und führte ein Experiment zur Motivation mit Studierenden durch. Die Ergebnisse waren ähnlich denen der Rhesusaffen: Belohnung hatte negative Effekte auf Motivation und Leistung.Donald Duck im Geld
Die weitere Beschäftigung mit Motivation führte gemeinsam mit Richard Ryan zur Entwicklung der Selbstbestimmungstheorie (SDT).
Dabei arbeiteten sie differenzierter heraus, wie Motivation 2.0 funktioniert.

Was kann bei Motivation 2.0 schief gehen?

  • Intrinsische Motivation wird erodiert, freudvolle Tätigkeit wird zu lähmender Arbeit
  • Spitzenleistungen bleiben aus, es reicht das geforderte Maß zu erfüllen
  • Kreativität wird beeinträchtigt, Fehlervermeidung und Sicherheitsdenken hemmt Experimentierfreude und Aktivität
  • Die Möglichkeit ‚ein guter Mensch‘ zu sein, wird durch die Bezahlung konterkariert
  • schummelnUnethisches Verhalten, Schwindeln und Vortäuschen wird provoziert
  • Sucht und Abhängigkeit entsteht – nicht nur arbeitsmäßig
  • Kurzfristiges Denken und Handeln wird gefördert, langfristige Erfolge werden nebensächlich

Wann funktioniert Motivation 2.0?

Neben der negativen Auswirkung machen wir im Alltag die Erfahrung, dass ‚Zuckerbrot und Peitsche‘ eine gute Wirkung haben können. Die möglichen negativen Effekte werden in Kauf genommen bzw. der ‚zu motivierenden‘ Person selbst zugeschrieben.
fliessbandWenn unkreative Routine-Tätigkeiten durchgeführt werden müssen, so hat Motivierung durch Belohnung durchaus seine Berechtigung.

Um dabei jedoch die möglichen schädlichen Effekte zu minimieren, ist folgendes zu beachten:

  • Es ist klar, wozu diese Routine-Tätigkeit gemachte werden muss.
  • Es wird anerkannt, dass es sich um eine langweilige Routine-Arbeit handelt, die niemand gerne macht.
  • Die Mitarbeiter können über die Art und Weise der Durchführung selbst bestimmen.

Um die negativen Effekte auf Motivation zu mindern, sollte bei der Anwendung für Belohnungen beachtet werden:

  • Belohnungen nicht im vornherein ankündigen, sondern im Nachhinein vergeben: „Nachdem du das jetzt gemacht hast, bekommst du das.
    Die negativen Effekte von Motivation 2.0 treten nämlich bei Belohnungen auf, bei denen Abhängigkeit bereits mitformuliert wird: „Wenn du das machst, bekommst du das.
  • SchulterklopfenImmaterielle Belohnung ist vorzuziehen, wie Anerkennung und positives Feedback.
  • Das zurückgeben von Information über das Ergebnis der Arbeit an die Ausführenden ist notwendig. Dies scheint möglicherweise nichts mit Belohnung zu tun zu haben – doch wird es als Belohnung, als Anerkennung empfunden.

Durch das Betriebssystem Motivation 2.0 wird ein bestimmtes menschliches Verhalten geprägt, ein bestimmter Typ Mensch ‚herangezogen‘. Daniel Pink bezeichnet diesen als „Typ X“ wie Xtrinsisch orientiert. Dem stellt er den „Typ I„, wie Intrinsisch orientiert, gegenüber.

Eigenschaften von Typ I – Menschen

  • StrahlemannTyp I ist anerzogen,
    nicht angeboren
  • Längerfristig übertrifft die Leistung von Typ I fast immer die von Typ X
  • Typ I benötigt ebenso wie
    Typ X Geld und Anerkennung, aber es geht nicht um Geld und Anerkennung
  • Typ I brennt nicht aus sondern ist physisch und psychisch stabiler

Drei Aspekte für Typ I-Verhalten

1. Autonomie

Je mehr Autonomie ein Mensch in der Durchführung seiner Arbeit bekommt, umso höher seine Motivation. Autonomie bedeutet, die Person ist eigenmächtig und bestimmt sein gesamtes Handeln oder Aspekte seines Handelns selbst.
Diese Aspekte sind englischsprachig formuliert:

  • Task: Was mache ich?
  • Time: Wann mache ich es?
  • Technique: Wie mache ich es?
  • Team: Mit wem mache ich es?

Möglicherweise ist dies schwer vorstellbar, wie es aussehen kann, wenn Mitarbeiter mehr Autonomie bekommen. Daniel Pink führt zu jedem dieser vier Punkt Beispiele für erfolgreiche Umsetzung an: google, amazon, Atlassian, 3M, …

2. Meisterschaft

Challenge vs. SkillMenschen möchten stolz sein können auf das, was sie leisten.
Der Drang, Tätigkeiten besser durchführen zu können, lernen zu wollen, führt zu außergewöhnlichen Leistungen.
Und gleichzeitig zu einem hohen psychischen Wohlbefinden:
Meisterschaft ist nur erreichbar über Tun, bis es ‚wie von alleine und automatisch‘ abläuft, wenn wir voll in einer Aufgabe aufgehen, bei Tätigkeiten, die uns weder überfordern noch unterfordern, sondern an der Grenze dazwischen sind. Dann kommen wir in einen Zustand, den Mihaly Csikszentmihalyi als Flow bezeichnet und für unser psychisches Wohlbefinden als essentiell befunden hat. Flow kann bei jeder Art von Tätigkeit erreicht werden.

3. Sinn, Zweck

wohl fühlenOhne ein Bild davon, wofür die ganze Anstrengung nützlich sein soll, wofür das eigene Leben verwendet wird, kann sich Motivation langfristig nicht halten.

Ist das Unternehmensziel gute Produkte herzustellen, innovativ zu sein, den Kunden zufrieden zu stellen, den Mitarbeitern ein gutes Leben zu ermöglichen, für die Gesellschaft da zu sein oder Umsatz zu machen, die Konkurrenz auszuschalten, Gewinne zu erzielen, Kosten zu sparen usw.
Also, sind die Ziele nicht-materiell oder materialistisch?
Die wirklichen Ziele (nicht die vordergründig publizierten) können über die verwendete Sprache entlarvt werden: Was sagt der Chef? Was der Hochglanzprospekt? Worüber unterhalten sich die Mitarbeiter in welcher Form miteinander? Und schließlich wird versucht, das Ziel über konkrete Entscheidungen zu erreichen, was sich in der Praktik bzw. Firmenpolitik widerspiegelt: Wie geht das Unternehmen bei der Zielverfolgung vor?

Das gute Leben

two birds

Nun gibt es einen Zusammenhang zwischen nicht-materiellen Zielen und Zufriedenheit: In einer Studie wurden Studenten vor ihrem Studienabschluss nach ihren Zielen und nach ihrer Lebenszufriedenheit befragt. Nach mehr als einem Berufsjahr wurden sie wiederum interviewt, wie weit sie diese Ziele erreicht haben und wie sie sich fühlen. Es zeigte sich, dass jene Studenten, die ihre Ziele erreicht hatten zufriedener waren und weniger an Angst und Depression litten, als die anderen – was nicht wirklich überrascht.
Bei jenen, die ihr Ziel erreicht hatten, konnten die Ergebnisse nochmals unterschieden werden in Studenten mit nichtmateriellen Zielen (z.B. anderen helfen, lebenslang lernen, wachsen, …) und materialistischen Zielen (z.B. Einkommen, Wohlstand, Auto, Ruhm, …):
Menschen mit nichtmateriellen Zielen wiesen eine höhere Zufriedenheit auf als jene mit materialistischen Zielen (obwohl sie ihr Ziel erreicht hatten) und zusätzlich war bei ihnen der Zustand der Angst und Depression angestiegen.

Umgelegt auf Unternehmen: Für eine langfristige Motivation ist also die Frage wichtig: Kann das Unternehmen seinen Mitarbeitern einen erstrebenswerten Sinn geben?
Stellt es einen Zweck dar, für den es sich lohnt, seine Energie, sein Leben einzusetzen?

Typ I – Werkzeugkasten

Das dritte Kapitel enthält elf Werkzeugkästen: von der Anwendung der Erkenntnisse um sich selbst zu motivieren über weiterführende Literatur, Umgang mit den eigenen Kindern bis zu inspirierenden Fragen, den Konversationsstartern …

Persönliche Rezeption

Daniel Pinks Intention, die große Kluft zwischen dem, wie der Mensch wirklich funktioniert und dem, wie wir denken, dass er funktioniert, aufzuzeigen, ist ihm gelungen.
Seine Gedanken haben mir einige Erklärungen für das ‚eigenartige‘ Verhalten von Schüler/innen gegeben. Die Frage, wie sehr die drei Aspekte Autonomie, Meisterschaft und Sinn/Zweck in der Schule an sich und in meinem Unterricht im Speziellen von meinen Schülern erlebt werden, hat mich durch das ganze Buch hinweg beschäftigt:
Es scheint mir inzwischen eine der großen Absurditäten zu sein, dass wir von den Kindern Typ X-Verhalten erwarten, die Kinder zu Typ X erziehen, sie dann jedoch dafür beschämen, dass sie Typ X-Verhalten an den Tag legen.

Für mich stellt sich die Frage, wie ich in den engen Systemgrenzen Möglichkeiten für die Entwicklung von Typ-I-Verhalten ermöglichen kann – für die Schüler/innen aber vor allem auch für mich selbst. Ich hoffe, Daniel Pinks Toolkits helfen mir dabei.

Stil

Das Buch ist in einem persönlich erzählenden Stil geschrieben, der mir teilweise zu ‚locker flockig‘ war: aus europäischer Sicht zu amerikanisch. Der erzählerische Stil passt jedoch gut zur Historie und zu den Experimenten, von denen Pink erzählt.
Das verwendete Englisch war weitgehend einfach zu lesen, teilweise jedoch auch durch Abkürzungen, Fachausdrücke und Redewendungen eine Herausforderung.

Das Leben ist schön :-),
Thomas

P.S.: Vielleicht auch interessant: Auf das Buch aufmerksam geworden bin ich durch dieses Video.

Unterwegs in die nächste Dimension

Unterwegs in die nächste Dimension: Clemens Kuby
Meine Reise zu Heilern und Schamanen.

Unterwegs in die nächste DimensionWas ist die nächste Dimension?

Clemens Kuby kommt zu dem Schluss, dass der Geist bzw. die Seele, stärker ist, als die Materie bzw. der Körper.
Das bedeutet, dass die Seele den Körper krank oder gesund machen kann bzw. dass der Körper durch eine gequälte, eingesperrte, unterdrückte Seele Schaden erleidet. Unterdrückt werden kann die Seele vom Ego, dem egozentrischen Selbstbild: Nicht was ich brauche dominiert mein Sein und Tun, sondern was ich will. Umgekehrt bringt eine befreite Seele Heilung – im engeren und weiteren Sinn.

Mit diesem Ansatz erklärt Clemens Kuby (sich und anderen) das Wunder der Selbst- bzw. Spontanheilung von medizinisch aussichtslosen Fällen – er muss es wissen: Er selbst bekam von seinen Ärzten nach einem Sturz aus fünfzehn Metern Höhe die Diagnose nicht heilbar querschnittsgelähmt und konnte doch nach einem halben Jahr wieder gehen.
meditierender buddhistischer mönchDiese Heilung erfolgte jedoch nicht zufällig, wie das Wort ’spontan‘ vermuten lassen könnte, sondern durch intensive Beschäftigung mit sich selbst, einhergehend mit einer tiefen Persönlichkeitsveränderung.
Kuby beschreibt im ersten Kapitel den Aufbruch vom materialistisch-mechanistischen Weltbild hin zu einem spirituellen Weltbild.

Auf der Suche

ladakhClemens Kuby ist Filmemacher und beschließt während er durch seine Querschnittslähmung bewegungsunfähig liegen muss, sich auf die Suche nach Erfahrung außerhalb seines bisherigen Horizonts zu machen – und stößt dabei fast zufällig auf ‚Ladakh‘. Hier startet er nach seiner Heilung auch mit der Dokumentation „Das alte Ladakh“ bzw. „Living Buddha„, in dem er Wiedergeburt filmisch dokumentieren möchte und ihm dies am Lama Gyalwa Karmapa gelingt. Insgesamt gehen aus der Beschäftigung Kubys mit dem Buddhismus mehrere Filme hervor, u.a. „Tibet – Widerstand des Geistes„.

Die Reise geht weiter

War diese Auseinandersetzung mit dem spirituellsten Volk der Welt, den Tibetern, anfangs als persönliche Bewusstseinserweiterung gedacht,
Sai Babaso war es in Wirklichkeit nur ein Startpunkt für die Suche nach Beweisen für die Macht des Geistes: Kuby fährt nach Indien um Sai Baba zu treffen, einen inkarnierten Gott, der Wunder vollbringt. Doch entpuppen sich diese Wunder als Taschenspielertricks.
Dies führt zu einer der überraschenden Erkenntniss: Offensichtlich ist den Menschen zwar klar, dass diese ‚Wunder‘ letztendlich Tricks sind, sie glauben jedoch trotzdem gerne daran – weil es hilfreich für sie ist.

Clemens Kuby erfährt von einem Volk in Südindien, das ca. 1000 Menschen umfasst, die religiös, doch ohne Religion, ohne Schrift und ohne Wissenschaft, mit eigener Sprache leben und die Dokumentation „Todas – am Rande des Paradieses“ entstand.
Kuby entdeckt Immer neue Wunder des Geistes und die Suche nach Wahrheit führt ihn zu Hellsehern, Medizinmännern, Wunderheilern, Schamaninnen und Schamanen bis zum moslimischen Sufi. Die Wahrnehmung auf seiner Reise in die nächste Dimension sind filmisch dokumentiert und mit Deutungen und Erklärungen in diesem Buch zu finden.

samsaraConclusio Wiedergeburt

Kuby kommt zu seiner Wahrheit, dass die Seele so viel stärker ist als der Köper, dass nicht nur Krankheit und Gesundheit materialisierte Produkte des Geistes sind, sondern auch Wiedergeburt schließlich als zwingende Wahrheit erkannt wird.

Conclusio Heilen

Im Endeffekt kann jeder Mensch nur sich selbst heilen – wie ihm dabei geholfen werden kann, hängt im Wesentlichen von seinem Weltbild und seinem Willen zur Veränderung ab:
200380014-001Wer an die westliche Medizin glaubt, kann von dieser ‚geheilt werden‘,
wer sich von (den Tricks der) Schamanen beeindrucken lässt und daran glaubt, ‚wird von diesen geheilt‘. Aber auch umgekehrt: wer in diesem System als krank bzw. unheilbar verurteilt wird, ist das auch.
Es gibt viele Möglichkeiten, die eigene Persönlichkeit zu verändern und sein Ego aufzubrechen, damit seine Selbstheilungskräfte zu aktivieren –
und jede dieser vielen katalytischen Möglichkeiten ist legitim.
Doch wie jede Religion und jedes verwaltete Weltbild eifersüchtig ist auf andere, so ist es auch die westliche Medizin, die sich durch ein Kassensystem vor der Konkurrenz der ‚Scharlatanerie‘ zu schützen versucht.
Doch wer heilt, hat Recht – auch wenn das wie (zur Zeit noch) nicht erklärbar ist.

Conclusio Krankheit

Krankheit und Schmerz, letztendlich immer ausgelöst durch ein überbetontes Ego auf Kosten einer leidenden Seele, ist ein bedeutsamer Hinweis auf eine Schieflage im aktuellen Lebensentwurf. Die Krankheit bzw. den Schmerz auszuhalten um dadurch zu einer Lösung zu kommen, ist jedoch nicht einfach und erfordert viel an seelischer Kraft.

Clemens-KubyClemens Kuby

Ebenso spannend wie das Thema selbst, das Kuby in diesem Buch verfolgt, ist seine eigene Biographie. Heute gibt Kuby seine Erfahrungen in Seminaren als mental healing® – die kubymethode weiter.

Das Buch

Fasziniert hat mich der kritische und zugleich offene Zugang Kubys zu diesem – zumindest in der westlichen Gesellschaft – nur schwer unvoreingenommen erfassbaren Weltbild.
Papa ElieDie Geschichten der Begegnungen Kubys mit den spirituellen Führern und ‚Wunderheilern‘ waren insgesamt einfach und spannend zu lesen.
Kubys eigenes theoretisches Gedankengebäude, dass am Ende des Buches teils in Abhandlungen, teils in eigenen Lebensgeschichten dargestellt wird, fand ich etwas unstrukturiert und teilweise umständlich formuliert.
Auch wenn ich inhaltlich vielen von Kubys Sichtweisen zustimmen kann, so hat doch seine – meiner Meinung nach – egozentrische Sichtweise teilweise meinen Widerstand hervorgerufen.

Ich empfehle diese Buch jedenfalls gerne kritischen und zugleich offenen Menschen weiter, denn …

Das Leben ist schön 🙂
Thomas

Strukturen subjektiver Erfahrung

Richard-Bandler+Strukturen-subjektiver-ErfahrungRobert Dilts, Richard Bandler, Jon Grinder, …: Strukturen subjektiver Erfahrung.
Ihre Erforschung und Veränderung durch NLP.

Überblick
Wie kommen Menschen zu ihren Entscheidungen? Oder: Warum kommen Menschen zu keiner Entscheidung und quälen sich damit? Was läuft da in einem Gehirn ab?
Das erklärt Robert Dilts tiefgehend an Hand der Arbeit von Richard Bandler und John Grinder ausgehend von einem Modell darüber, wie subjektive Erfahrungen im Gehirn gespeichert sind.

Repräsentation von Erinnerung – ein Modell

Jedes Gedächtnisobjekt kann als gespeichertes ‚Quadrupel‘ in unserem Gehirn beschrieben werden: Wir haben z.B.: zu dem Wort „Bleistift“ zumindest ein Bild (V), einen akustischen Eindruck (A), ein Gefühl (K) und einen Geruchs- bzw. Geschmackseindruck (O) abrufbar gespeichert. Das heißt, wir merken uns (und umgekehrt erkennen) einen „Bleistift“ als Quadrupel sensorischer Eindrücke, also als Quadrupel <A, V, K, O>. Ich könnte das Wort „Bleistift“ in einem Ratespiel (theoretisch) über das Geräusch beim Schreiben auf Papier (A), über das Bild eines Bleistiftes (V), über das Erfühlen eines Bleistiftes (K) oder auch über den Geschmack beim Nagen am Bleistift (O) erkennen können. Die verschiedenen Eindrücke werden jedoch unterschiedlich stark im Gehirn abgelegt sein – vermutlich ist bei „Bleistift“ der visuelle Anteil am stärksten vertreten und daher bewusst vorhanden, bleistiftdie anderen Eindrücke bleiben beim Wort „Bleistift“ möglicherweise sogar unter der Bewustseinsschwelle (obwohl sie sicherlich da sind). Interessant ist die stärkste Repräsentation einer Erinnerung/eines Eindruckes.
Es sei noch erwähnt, dass neben externen und internen (erinnerten) auch konstruierte (k), also ‚erfundene‘, Eindrücke unterschieden werden können.

Entscheidungen treffen (TOTE)

Jedes äußerlich erkennbare Verhalten entspringt der Verarbeitung innerer <Ai, Vi, Ki, Oi> und/oder äußerer <Ae, Ve, Ke, Oe> Eindrücke. Wenn ich z.B. zu einem bestimmten Zeitpunkt von meinem Sessel aufstehe, so kann das durch einen gesprochenen Befehl (Ae), durch ein inneres Bild (Vi), durch ein inneres Unwohlsein (Ki), einen unangenehmen Geruch (Oe), … ausgelöst worden sein. Allerdings reicht ein bestimmter sensorischen Reiz noch nicht aus, jemanden zum Aufstehen zu bewegen. Der Reiz initiiert im Individuum erst eine Verarbeitung der äußeren und inneren Eindrücke.
TOTEDie eleganteste (= einfachste und doch ausreichende) Beschreibung dieser Verarbeitung ist das TOTE-Modell (Test-Operate-Test-Exit).
Aufstehen-aus-dem-SesselZ.B. könnte, wenn ich gerade im Sessel sitze und arbeite, das unangenehme Gefühl einer Nackenverspannung auftreten (T, mismatch). Ich stelle mir vor, dass dieses Gefühl verschwindet, wenn ich ein paar Schritte machen würde (vorstellen = O).
Ich teste diese Vorstellung gegen den aktuellen Wunsch, meine Arbeit fertig zu stellen (T). Wenn die Nackenverspannung stark ist, entscheide ich mich aufzustehen (E, match) und die Arbeit später fortzusetzen. Andernfalls könnte ich mich entschließen, mich anders hinzusetzen (O), die Nackenverspannung auszuhalten (T) und weiterzuarbeiten (E, match).

Strategien für Entscheidungen

Wird genauer in die TOTE hineingeschaut, so findet man, dass durch das Auftreten des ersten Reizes (im Beispiel das unangenehme Gefühl Ki) i.A. quasi automatisch eine weitere ’subjektive Erfahrung‘ abgerufen wird. Das könnte z.B.: ein inneres Bild des Vaters sein, als dieser einen Bandscheibenvorfall erlitten hatte (Vi), was wiederum die Vorstellung eines unangenehmen Gefühl des Schmerzes erzeugt (Ki), das schließlich zum innerlich gehörten Befehl wird: „Steh auf und bewege dich!“ (Ai), was wiederum zum Aufstehen aus dem Sessel führt (Ke). D.h., ausgelöst durch einen Reiz (Verspannung), läuft praktisch automatisch und (i.A.) unbewusst eine Reihe von ‚Erinnerungsabrufungen‘ unterschiedlicher Repräsentationen ab, die schließlich zu einer Verhaltensäußerung führen (Ki => Vi => Ki => Ai => Ke).  Die Abfolge des Abrufens der Repräsentationen wird als (Entscheidungs-)Strategie bezeichnet (auch wenn es sich mehr um eine unbewusste Struktur, denn um eine bewusst ausgeführte Strategie handelt). Es zeigt sich, dass Individuen dieselbe Strategie in unterschiedlichen Kontexten nutzen bzw. diesselbe Strategie durch unterschiedliche Gefühlsreize ausgelöst werden kann (z.B.: Liebeskummer, Gelsenstich, …).
Strategien können elegant und hilfreich sein, aber auch schädigend, unvollständig, rückgekoppelt ohne Ausgang, komplizierter als notwendig, … – das kann das Leben schwer machen. In der Therapie ist es das Ziel, wenig hilfreiche in hilfreichere Strategien zu verändern.

Strategie evozieren (Elicitation)

Um mit den Strategien von Menschen zu arbeiten, müssen diese erst mal bekannt sein. Im Problemgespräch wird durch Beobachtung von Zugangssignalen (z.B. Augenbewegung, Sprache, Stimme, Atmung, Körperhaltung, …) die Strategie „ausgepackt“ – was ein hohes Maß an Beobachtung und Erfahrung erfordert.Augenzugangssignale

Strategien nutzbar machen (Utilisation)

Ist die Strategie für eine Entscheidung evoziert, kann diese genutzt werden. Z.B. indem ich meine Argumente der Entscheidungsstrategie des anderen entsprechend angepasst darlege. Als Erläuterung mag folgendes, vereinfachtes Beispiel dienen: Wenn ich jemanden zu einer Aktivität motivieren möchte, der z.B. die Strategie (Ki => Vi => Ki => Ai => Ke) verwendet, so starte ich mit der Beschreibung eines (Ausgangs-)Gefühls Ki: smoking„Wie fühlt sich der Rauch an, der durch die Zigarette in den Mund und Hals gelangt?“. Dann führe ich zu einem Bild Vi: „Kannst du sehen, wie sich der Rauch in der Lunge niederschlägt und Schicht um Schicht die Lungenoberfläche füllt? Schau dir an, wie sich bei xy die Atemnot bereits bei geringer Anstrengung auswirkt“.
Der nächste Schritt evoziert ein negatives Gefühl Ki: „Fühle, wie die Atemnot sich über dich legt. Die Lunge ist belastet und nur mühsam schafft sie ihre Arbeit.“ und geht dann über zum auditiven Befehl Ai: „So wie das mühsame Atmen immer stärkere Geräusche erzeugt, so klingt auch in dir eine Stimme immer stärker, die sagt: Dämpfe die Zigarette aus!“.

Eine weitere Möglichkeit der Nutzbarmachung einer Strategie verwendet den Testpunkt, also jenen wichtigen Punkt in der Strategie, der als letztes, direkt vor dem ‚Exit‘,Wegweiser für die schlussendliche Entscheidung zuständig ist: Wenn dieser Testpunkt ein Abprüfen des Gefühls zu einer bestimmten Option ist, so wird durch das Betonen der negativen Gefühle, die eine bestimmte Entscheidung bringen würde, eine Ablehnung der Option sehr wahrscheinlich. Bei Betonung der positiven Gefühle ist die Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung für die Option erhöht.

Dieses Kapitel endet mit Vorschlägen der Nutzbarmachung von Strategien in den verschiedenen Bereichen Erziehung, Geschäftsleben, Verkauf und Werbung, Personalauswahl, Medizin, Recht und Psychotherapie.
Ein unterhaltsames Beispiel für die Nutzbarmachung von Strategien ist hier zu sehen.

Entwurf von Strategien (Design)

Bestehende Strategien können vereinfacht werden (z.B. bei Schwierigkeiten mit Lesen, Rechtschreibung, langwierige Entscheidungsprozesse, …). Bei phobischen Reaktionen ist eine Neu-Kontextualisierung bzw. eine Erweiterung und Ausdifferenzierung des Entscheidungspunktes für alternative Reaktionen sinnvoll. Und schließlich können Strategien – falls noch nicht vorhanden – auch komplett neu entworfen werden.

Programmieren von Strategien (Installation)

Beschrieben sind Methoden der Installation mit Hilfe von Ankern und das schlichte Einüben (Konditionieren). Zusätzlich wird auf das Unterbrechen von Strategien und das Problem der ‚Interferenz‘, der gegenseitigen Störung verschiedener Strategien, eingegangen.

Zusammenfassung

Das Thema NLP hat mich nach meiner NLP Practitioner- und NLP Master-Ausbildung nicht mehr losgelassen. Nach einigen gut zu lesende Bücher, hatte ich an diesem, „Strukturen subjektiver Erfahrung“, wirklich hart zu arbeiten. Obwohl der Inhalt (auf einer oberflächlichen Ebene) einfach nachvollziehbar und verständlich ist,Schwieriges Buch
fällt der Text so umfassend, genau, detailreich und penibel aus, dass das Lesen teilweise mühsam wird. Gut nachvollziehbar werden jene Inhalte, die durch Transkripte von NLP-Interventionen ‚zum Leben‘ erweckt werden. Dabei wird auch klar, wie schwierig eine achtsame Anwendung und Berücksichtigung dieses Wissens im Umgang mit Menschen ist. Zudem ist die Konsequenz des Inhalts schwer verdaulich (z.B.: Wie leicht manipulierbar bin ich denn eigentlich?).
Ich konnte das Buch nur stückweise lesen und musste es zwischendurch immer wieder einmal weglegen. Möglicherweise hätte ich es ohne Vorkenntnisse nicht fertiggelesen.
Trotzdem: eine Empfehlung für alle, die sich wirklich (nüchtern, trocken, pragmatisch) mit der ‚Funktion‘ des menschlichen Geistes, der Psyche, auseinandersetzen möchten.

Das Leben ist schön :-),
Thomas

Die Kunst des klaren Denkens

52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassenRolf Dobelli: Die Kunst des klaren Denkens.
52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen.

„Denkfehler sind systematische Abweichungen zur Rationalität, zum optimalen, logischen, vernünftigen Denken und Verhalten“ definiert Rolf Dobelli in seinem Vorwort. Vorerst hat er diese Denkfehler nur für sich gesammelt, dann in einer wöchentlichen Kolumne in der Frankfurter Allgmeinen Zeitung veröffentlicht und schließlich ist daraus dieses Buch geworden. Ich fand also 52 in etwa gleich lange Gedankensplitter zu psychologischen Fallen, in die wir Menschen gerne tappen (zumindest, wenn sie uns nicht bewusst sind).

Welcher Art diese Denkfehler nun sind, zeigt die folgende Auswahl:

  • #5: „The Sunk Cost Fallacy“: Wer Energie, Zeit, Geld, Gefühle, … in ein „Projekt“ investiert hat, hält möglicherweise am Projekt fest, obwohl bereits ersichtlich ist, dass ein erfolgreiches zu Ende führen des Projektes höchst unwahrscheinlich ist. Als Argument (zur Selbstüberlistung) dient dann gerne: „Jetzt habe ich bereits so viel investiert, da kann ich das Projekt jetzt doch nicht aufgeben.“ Als Entscheidungsgrundlage, ob ein Projekt weiter- bzw. fertiggeführt werden soll, kann aber nur der zu erwartende Erfolg/Gewinn dienen, nicht die Summe dessen, was bereits investiert wurde.
    Dieser Effekt lässt sich an vielen Beispielen zeigen: ein begonnenes Buch, das langweilig ist, wird fertiggelesen; ein uninteressanter Film fertiggeschaut; ein Studium wird mit Widerwillen abgeschlossen, weil man ja schon so weit ist; an einer finanzielle Investition ohne Rendite wird festgehalten, weil schon so viel Geld reingeflossen ist; eine problematische Partenerschaft wird aufrechtererhalten, weil es viel gemeinsames gibt; ein praktisch verlorener Krieg wird weitergeführt, weil die Zahl der Opfer schon so hoch ist; …).
    Die Dakota-Indianer wussten angeblich bereits: „Wenn du merkst, du reitest ein totes Pferd, dann steig ab.“
  • #14: „Der Rückschaufehler“: Möglicherweise hat Ihnen bereits jemals jemand irgendetwas gesagt wie: „Das habe ich schon kommen sehen.“ Vielleicht haben Sie das bereits auch selbst einmal gesagt. Und glücklicherweise haben Sie kein Tagebuch geführt, so dass Sie auch weiter nicht an Ihren prophetischen Fähigkeiten zweifeln müssen. Denn sehr oft erkennen wir Menschen im Rückblick Zusammenhänge, die vorher noch nicht klar waren. Es entsteht eine logisch nachvollziehbare Kette von Ereignissen und wir ‚vergessen‘ darüber, dass wir dies in der Vergangenheit nicht vorausgesehen haben (können), da wir nicht einmal alle Information hatten.
    Als großes Beispiel führt Dobelli den ersten Weltkrieg an, der ja ‚zwingend‘ aus dem Attentat in Sarajevo hervorging – jeoch nur aus der Rückschau: Die Kommentatoren jener Zeit konnten den Verlauf der Geschichte natürlich nicht vorhersehen.
    Ähnliches gilt für den Zerfall der UdSSR, die Wirtschaftskrise, Wahlausgänge, Beziehungsgeschichten, Stationen des eigenen Lebens, …
    D.h. wir neigen dazu, unsere prognostischen Fähigkeiten im Rückblick auf die Vergangenheit zu verifizieren – da haben wir jedoch bereits den Gesamtüberblick und -zusammenhang hergestellt. Der Rückschau-Fehler führt dazu, dass wir unsere prognostischen Fähigkeiten tendenziell überschätzen. Dobelli empfiehlt, ein Tagebuch zu führen um sich im Nachhinein mit seiner eigenen Sichtweise von damals zu konfrontieren: damit Sie herausfinden „welch schlechter Prognostiker Sie sind„.
  • #35: „Exponentielles Wachstum“: Für viele Menschen (vielleicht sogar für alle) ist es schwierig, die Größenordnung exponentiellen Wachstums intuitiv zu erfassen. Was bedeutet es, wenn die jährliche Teuerung 3,5 % beträgt? Nächstes Jahr kostet eine Wurstsemmel statt € 1,- halt € 1,04 – also nicht so schlimm. Allerdings wird bei dieser Teuerungsrat in ca. 20 Jahren alles doppelt so teuer wie heute sein. Oder anders herum: Ihr beiseite gelegtes Geld ist nur mehr die Hälfte wert. Exponentielles Wachstum ...Genauso wie der Frosch im Wasserkocher, der den langsamen Temperaturanstieg nicht bemerkt, unterschätzen wir exponentielle (also Zinsenzins-)Effekte in ihrer Größenordnung. Hier gibt Dobelli den Tipp: Rechnen Sie aus, wann eine Verdoppelung der Menge eintritt und zwar mit 70/prozentuelle Steigerung. Wenn es in einer Stadt zum Beispiel jedes Jahr 5 % mehr Hunde gibt, so würden ohne Gegenmaßnahmen in 70/5 = 14 Jahren doppelt so viele Hunde in der entsprechenden Stadt leben.

Zusammenfassung:

Insgesamt 52 solcher mehr oder weniger verwunderlichen Fehlleistungen hat Dobelli zusammengetragen und mit Beispielen privater Natur oder aus dem Bereich der Wirtschaft, hier speziell aus dem Anlagebereich, illustriert. Die Bezeichnung „Denkfehler“ und „Die Kunst des klaren Denkens“ finde ich irreführend – eher sind es Fehler, die durch unreflektiertes, intuitives Handeln, Selbstrechtfertigung, Vermeidung, Angst, Selbstüberschätzung, …. entstehen.
Durch Denken wären die Entscheidungen klar als ‚wenig hilfreich‘ bzw. ’schädlich‘ identifizierbar –
nur denken wir seltener, als wir denken, dass wir denken.

Insgesamt war das Buch eine kurzweilige Lektüre und durch die 52 abgeschlossenen Artikel auch leicht zwischendurch lesbar. Die Beispiel sind zwar etwas einseitig wirtschaftlich, aber leicht in die verschienden Lebensbereiche transferierbar.
Vor allem bei anderen Menschen in meiner Umgebung habe ich die beschriebenen Fehler ja auch gleich wiedererkannt 😉

Das Leben ist schön!
Thomas

Vereinbarungskultur an Schulen

Handreichung von Christiane LeimerDer Titel der neuesten Handreichung des ÖZEPS löst mein Erstaunen aus: „Vereinbarungskultur an Schulen“! Ja wie denn? Wo denn? Mein Schulalltag wird durch einen vorgegebenen Stundenplan bestimmt: Beginn 745, Raumnummer 15, Gegenstand Elektronik, Klasse 1A. Praktisch alle Gebarungen in Bezug auf meine Arbeit, Urlaub, Gehalt, Unterrichtsort, Lehrinhalte etc. sind ein durch Gesetze, Verordnungen, ausgesprochene und unausgesprochene Schulregeln und kollegiale Befindlichkeiten markiertes Verhaltensterritorium. Der Umgang mit den Schüler/innen ist gesetzlich eng geregelt: Wo bleibt denn da freier Raum für Vereinbarungen? Und hat denn jemand während meiner Jahre als Lehrer jemals eine Vereinbarung mit mir getroffen?

Mit den Schüler/innen sind Vereinbarungen nicht notwendig und meine Vorgesetzten finden sie nicht notwendig. „Quer“, also zu Kolleg/innen, fällt es ja leichter, Vereinbarungen zu treffen: a) sind sie vertrauenswürdig und alt genug, sich daran zu halten, und b) ist das die einzige Möglichkeit, ein gemeinsames Ziel zu erreichen: Hier habe ich weder formale Autorität, noch bin ich einer formalen Autorität unterworfen. Damit sind auch schon die beiden „schwierigen“ Richtungen für Vereinbarungen angesprochen: „nach oben“ und „nach unten“. In einem hierarchischen System sind Vereinbarungen per se nicht notwendig, weil Verordnungen, Anweisungen, Gesetze und Druck als „Motivationsmittel“ (scheinbar) reichen.

Soll doch eine gelebte Vereinbarungskultur entwickelt werden, so setzt dies bestimmte Werte und Haltungen voraus: Christiane Leimer sieht diese in Gleichwürdigkeit, Beteiligungsmöglichkeiten, Transparenz, Selbstbestimmung und dem Zulassen von Unterschieden. Dazu schreibt sie: „Bei einer ungleichen Machtverteilung, wie es in einer hierarchischen Struktur von Schule der Fall ist, bietet Gleichwürdigkeiteinen konstruktiven Ansatz, um zu gemeinsamen Vereinbarungen zu kommen.“ Als persönliche Voraussetzungen für gelebte Vereinbarungskultur nennt sie Selbstkontrolle, Selbstdisziplin, Selbstreflexion, Einfühlungsvermögen, Team- und Konfliktlösefähigkeit, soziale Verantwortung, Willen zu offener Kommunikation und zu Kooperation, Zuverlässigkeit, Eigeninitiative, Entscheidungsbereitschaft, Erkennen eigener Vorurteile, Normverständnis, Werteorientierung …

Wenn ich nun auch noch die Definition von „Vereinbarung“ berücksichtige, wird mir vollends klar, warum hierarchisch „höher Stehende“ auf eine Vereinbarungskultur zu Gunsten schneller Anweisungen verzichten: „Eine Vereinbarung ist eine bindende Abmachung … und dient dazu … ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Kennzeichen einer Vereinbarung ist, dass sich alle beteiligten Personen (von sich aus, freiwillig) damit einverstanden erklären, das Vereinbarte einzuhalten. […] Eine nicht eingehaltene Vereinbarung hat als Konsequenz, dass das gemeinsame Ziel nicht erreicht wird. Das Wesen einer Vereinbarung schließt Sanktionen aus.“ Hm, damit könnten einige in Schulen verwendete Verhaltensvereinbarungen als falsch etikettierte Verhaltensverordnungen entlarvt werden.

Vor allem, wenn der vorgeschlagene Prozess für das Treffen von Vereinbarungen mitberücksichtigt wird: Vorbereitungsphase – Individuelle Klärung (Ich-Phase) – Austausch mit allen Beteiligten (Du-Phase) – Gemeinsames Ziel (Wir-Phase) – Formulierungsphase – Selbstreflexionsphase – Fixierungsphase – Reflexionsphase. Möglicherweise pocht bereits die Frage im Neocortex des Lesers: Wozu überhaupt Vereinbarungen treffen, wo bis jetzt mit einfachen Anweisungen (und entsprechendem Druck) das gleiche Ziel schneller erreicht werden kann? Christiane Leimer verweist auf das nachhaltige Erreichen von längerfristigen Zielen: Höhere Arbeitsmotivation, Inklusion wird ermöglicht, Gewalt (und Aggression) nehmen ab, wohingegen Zufriedenheit und Verantwortungsbereitschaft steigen, Rechte und Pflichte werden akzeptiert, der Raum für Lernen und respektvollen Umgang wird aufgemacht und schließlich wird Demokratie gelernt und gelebt.
Das heißt, in Summe bringt das Entwickeln einer Vereinbarungskultur an Schulen die Voraussetzung für einen gemeinsam positiv erlebten Schulalltag mit hoher Motivation und Leistungsbereitschaft aller Beteiligten.
Umkehrschluss: Lässt bei Schüler/innen die Motivation und Leistungsbereitschaft zu wünschen übrig, so kann dem durch eine gelebte Vereinbarungskultur (ausgehend von den Lehrer/innen) entgegengearbeitet werden. Gleiches gilt natürlich für die Zusammenarbeit zwischen Direktor/innen und Lehrer/innen bzw. für die Zusammenarbeit aller Schulpartner.Dem Theorieteil folgt ein umfangreicher Praxisteil mit konkreten Übungen– ein Schatz für alle jene, die in Richtung gelebte Vereinbarungskultur unterwegs sind. Insgesamt gebe ich der Handreichung das Prädikat „Sehr lesens- und umsetzungswert“ – zumindest für alle, die im Schulbetrieb tätig sind.

Und ja, das Leben ist schön :-),
meint Thomas


Theorieteil
Kapitel 1: Vereinbarungen in der Schule – wozu?
Kapitel 2: Was sind Vereinbarungen?
Kapitel 3: Vereinbaren – eine Frage des Alters?
Kapitel 4: Was fördert Vereinbarungskultur?
Kapitel 5: Welche Fähigkeiten spielen eine Rolle?
Kapitel 6: Unter welchen Voraussetzungen ist vereinbaren möglich?
Kapitel 7: Was ist bei Vereinbarungen zu beachten? 10 Kriterien
Kapitel 8: Wie gelingt das Treffen von Vereinbarungen?
Kapitel 9: Wie mit Widerstand umgehen?

Praxisteil:
Kapitel 10: Werte und Haltungen fördern
Kapitel 11: Lernfelder für personale und soziale Kompetenzen
Kapitel12: Hilfreiche Strukturen für das Treffen von Vereinbarungen

MUT TUT GUT

Schoenaker, Theo: MUT TUT GUT. Das Encouraging Training.

Das Encouraging-TrainingTheo Schoenaker klärt behutsam die Aspekte eines selbstverantworteten Lebens und zeigt Wege, sich selbst dorthin zu bringen. Sein Ansatz ist die „Ermutigung“, auf Englisch „Encouraging“.

Den Leser/die Leserin teilweise persönlich ansprechend, startet das Buch bei der „Entmutigenden Gesellschaft„: viele Menschen werden in und durch unserer Gesellschaft entmutigt und leben recht und schlecht mit dem Verlust von Sicherheit und haben Minderwertigkeitsgefühle entwickelt – jedoch in einem normalen, (v)erträglichen Bereich. Insgesamt führt diese Entmutigung jedoch zu „Vermeidung„:
das, was ich machen möchte, das, was ich sehne, kann ich nicht ausleben, da ich entmutigt vermeide. Schoenaker führt hier konkrete Beispiele an, wie sich Vermeidung in Partnerschaft ausdrückt.

Aber es gibt auch „Ermutigende Erkenntnisse“ über den Menschen selbst, als soziales Wesen, als Entscheidung treffendes Wesen, als zielorientiertes Wesen – aber auch als unvollkommenes Wesen. Schoenaker nennt vier Prioritäten, die das Verhalten des Menschen wesentlich bestimmen:

  • Bequemlichkeit
  • Gefallen wollen
  • Kontrolle
  • Überlegenheit

Die vier Prioritäten sind an sich wertneutral und bei Menschen in unterschiedlichster Gewichtung (Prioritäten) vorzufinden. Jede Priorität hat sowohl positive als auch negative Entwicklungstendenzen in sich. Ein ermutigter Mensch wird seine Prioritäten positiv entfalten, ein entmutigter Mensch negativ. Als Beispiel führe ich Bequemlichkeit an, die ein ermutigter Mensch als „mit sich zufrieden“ ausleben kann, ein entmutigter als „drückt sich vor Verantwortung“.

Schließlich geht es an die Theorie der „Ermutigung“ selbst: Was wirkt ermutigend? und vor allem: Wie werde ich selbst mutiger (oder besser: mutvoller)? So klar die Antwort auf den ersten Blick scheinen mag, so vorsichtig sollte sie gegeben werden: Wie wirkt Belohnung? Ist Lob wirklich ermutigend? Hier kann „der gesunde Menschenverstand“ in guter Absicht mehr Schaden anrichten, als er nützt.

Im Kapitel „Erstrebenswerten Qualitäten“ zählt Schoenaker die für das Zusammenleben zehn wichtigsten Qualitäten auf, beschreibt und argumentiert sie. Es sind dies:

  • Interesse für andere
  • Aufmerksames Zuhören
  • Begeisterung
  • Geduld
  • Der freundliche Blick
  • Die freundliche Stimme
  • Das Gute erkennen
  • Versuche und Fortschritte anerkennen
  • Selbstverantwortliches Handeln
  • Körpernähe (-kontakt) herstellen

Schließlich erläutert Schoenaker „Wege zur Selbst- und Fremdermutigung“ und gibt hier Vorschläge, wie über einen konstruktiv geführten Inneren Dialog Selbstermutigung (und damit die Voraussetzung für Fremdermutigung) passiert. Abgerundet ist auch dieses Kapitel mit Beispielen, hier gibt es auch konkret umsetzbare Übungen.

Das Buch hilft in das Thema Ermutigung, das eng gekoppelt ist mit Selbstwert bzw. Minderwertigkeitsgefühl, Wagemut bzw. Vermeidung, Erfolg bzw. Versagensängsten, … einzusteigen und macht wirklich Mut, selbst aktiv zu ermutigen.

Andere, und vor allem: sich selbst.

MUT TUT GUT ist kein Trainingsbuch oder Ersatz für ein Encouraging-Training: es beschreibt die Basisüberlegungen und gibt einen tiefen, nachvollziehbaren Einblick in die Sichtweise Schoenakers und begründet damit sein Encouraging-Training nach dem Schoenaker-Konzept.

Der Schreibstil des Buches ist sehr ‚weich‘ und transportiert die Inhalte gut annehmbar. Insgesamt ist „Mut Tut Gut“ leicht lesbar und empfehlenswert für alle, die intensiv mit Menschen umgehen dürfen.

Übrigens: Das Leben ist schön :-),
Thomas

P.S.: Mein Lieblingsvideo zum Thema: Dare. Change.

Die Durchschnittsfalle

Markus Hengstschläger: Die Durchschnittsfalle. Gene-Talente-Chancen.Gene - Talente - Chancen

Markus Hengstschläger meint: Das österreichische Schulsystem ist besonders effektiv darin, die Schüler/innen auf ihre Mängel hinzuweisen und sie dazu zu bringen, Talente zu vernachlässigen und viel Zeit und Energie für die Arbeit an ihren Schwächen aufzuwenden, um dort ins Mittelmaß aufzusteigen und dabei gleichzeitig mit ihren Stärken ins Mittelmaß abzusinken. Das führt dazu, dass die Absolventen in vielen Gebieten durchschnittlich sind, zumindest nicht „Peak and Freak“.
Der gesellschaftliche Wunsch ist es offenbar, durchschnittlich und angepasst zu sein, nicht aufzufallen; jede Abweichung von der Norm ist suspekt und unerwünscht, besondere Leistungen werden nicht als solche (an)erkannt.

Doch es geht in diesem Buch nur am Rande um Schule.
Zentral geht es um die Fragen:

Wie bereiten ‚wir‘ uns (als Gesellschaft, als Menschheit) auf die unbekannten Fragen/Probleme, die in Zukunft zu lösen sein werden, vor?
Was sind „Talente“ eigentlich, was ist „Begabung“?
Sind für gute Leistungen (= Erfolge) genetische Dispositionen relevant?
Welchen Einfluss haben Gene, welchen Einfluss hat die Umwelt?

An Hand von Beispielen aus der Tierwelt und der Mechanismen der Genetik zeigt Markus Hengstschläger, wie fatal das Orientieren am Durchschnitt, wie unzulänglich das Reproduzieren von immer Gleichem für eine Gesellschaft ist. Um als Spezies, als Nation, als Gesellschaft das Überleben zu sichern, ist Vielfalt notwendig: niemand kann sagen, welche Eigenschaften, Talente, … in Zukunft hilfreich und wertvoll sein werden – je höher die Variationen, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass jenes Individuum in der Gesellschaft ist, dass rettend sein kann.

Zusammenfassung der Zusammenfassung:
Seine Kernaussagen hat Markus Hengsschläger in seinem Buch am Schluss zusammengefasst.

1.) Was wir wahrnehmen, ist nicht ein „Talent“, sondern der Erfolg (der mit einer bestimmten Fähigkeit erreicht wird). Wichtig ist Markus Hengstschläger in diesem Zusammenhang eine klare Begriflichkeit und er unterscheidet zwischen genetischer Leistungsvoraussetzung (wie z.B.: Muskelaufbau) und der Erbringung einer besonderen Leistung (= Erfolg). Für den Erfolg sind sowohl gute genetische Voraussetzungen („Nature“) als auch eine unterstützende Umwelt („Nurture“) notwendig. Also einerseits gewisse Leistungsvoraussetzungen und andererseits „üben, üben, üben“. Der ‚Talentträger‘ kann sein Talent, seine Leistungsvoraussetzungen, selbst als solches i.A. kaum wahrnehmen bzw. beschreiben. Er wird auf die Frage, wie er das so gut macht, typischerweise antworten: „Ich kann’s einfach.“

2. JEDER Mensch weist individuelle Begabungen auf und jeder Mensch hat das Recht, seine Talente zu ignorieren, also gute Leistungsvoraussetzungen nicht durch das notwendige „üben, üben, üben“ zum Erfolg zu führen.
Und jeder Mensch hat das Recht, fehlenden Leistungsvoraussetzungen zu ignorieren, also eine geringere Leistungsvoraussetzungen durch Begeisterung, „üben, üben, üben“, … zu kompensieren.
Andernfalls ergäben sich eine Reihe freiheitseinschränkender, ethischer Probleme.

3. Jedes Talent kann in der Zukunft wertvoll sein, selbst wenn es heute als wertlos angesehen wird.
Insofern ist es auch heute bereits wertvoll.

4. Die Erhaltung höchstmöglicher Individualität ist das Ziel für eine Spezies, nicht das Erreichen gemeinsamer, durchschnittlicher Fähigkeiten.

5. Schöpferisches Streben nach Neuem ist die einzig sinnvolle Überlebensstrategie (für eine Gesellschaft).

Bei mir ist der Inhalt so angekommen:
Das Buch ist lesenswert: inhaltlich interessant, mit Geschichten und Fallbeispielen aus Biologie und Gesellschaft hinterlegt, hat man das Gefühl, Hengstschläger sitzt einem gegenüber und erklärt euphorischDas besondere Talent: Gene oder 'Üben, üben, üben"? und begeistert seinen Standpunkt, der teilweise persönlich (gefärbt) und subjektiv ist und auch in Frage gestellt werden könnte. Eine kurzweilige Lektüre zu einem schweren Themen.
Etwas lähmend empfand ich, dass sich manche Ideen und die Argumentation dazu im Buch öfter wiederholt als (für mich) notwendig (keine Ahnung, wie oft Elina Garanca, Lionel Messi oder Placido Domingo erwähnt werden und wie oft auf das eine Beispiel mit den Süsswasserpolypen verwiesen wird) – andererseits kamen für mich konkrete Beispiele (aus Biologie und Genetik) zu kurz: eine noch größere Vielfalt an Beispielen hätte dem Inhalt meiner Meinung nach noch mehr Kraft gegeben.

Was nehme ich mir mit:
Für mich wesentlich ist, dass das Buch aus einer weit verbreiteten und im österreichischen Schulsystem organisatorisch festgegossenen begrenzten Sichtweise der egozentrischen Individualität („Ich bin besser als die dumme Masse.“) hin zur erweiterten Sichtweise der altruistischen Individualität („Ich bin anders und ihr seid anders und das ist wertvoll für uns alle.“) führt.

Ich hoffe und wünsche mir, dass Markus Hengstschlägers Buch Wenn die Ziege schwimmen lernt.Entscheidungsträger und Ausführende im ganzen Land, vor allem aber jene, die in ihrer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, zur Förderung altruistischer Individualität inspiriert und motiviert.

Das Leben ist schön,
Thomas 🙂

P.S.:  „Wie die Ziege schwimmen lernt“ fasst Hengstschlägers Buch als Metapher für Kinder, Lehrer/innen und Eltern zusammen 😉

Der Lilith-Komplex, Die dunklen Seiten der Mütterlichkeit

Hans-Joachim Maaz: Der Lilith-Komplex. Die dunklen Seiten der Mütterlichkeit

Eva und LilithDie dunklen Seiten der Mütterlichkeit.

Eva kennen wir aus der Bibel: sie ordnet sich (dem Mann) unter, ist (sexuell) passiv, fürsorglich, selbstlos, sich hingebend, kinderliebend, … Was in der Bibel nicht überliefert wird, ist der Mythos der Lilith, das archetypische Gegenstück zu Eva: egoistisch, kinderbekämpfend, dem Mann ebenbürtig, unabhängig, sexuell aktiv, … Lilith, die erste Frau Adams, die nicht bereit war sich unterzuordnen und vertrieben wurde, fand keinen Eingang in die Schöpfungsgeschichte.

Status der Mutter in der Gesellschaft
Maaz geht in seinem Buch davon aus, dass die ausschließliche Kultivierung des am Vorbild der Eva ausgerichteten Frauenbildes und die Verdrängung des Lilith-Anteiles zu massiven Störungen in der deutschen Gesellschaft führt.

Die dunklen Seiten der Mütterlichkeit
Die Forderung der Kinder an ihre Mutter – Allgegenwart der Mutter, Einfühlung durch die Mutter, Befriedigungsfähigkeit des Kindes durch die Mutter, realistätsgerechte Begrenzung – sind, durch die realistätsfremde Orientierung am Eva-Ideal, i.A. nicht erfüllbar. Die Überforderung führt zwangsläufig zur Abweisung der Kinder durch die unbewusste Haltungen der Mutter, die dem Kind gegenüber ausdrückt: „Sei nicht!“, „Sei nicht anstrengend, nicht lebendig!“, „Sei so, wie ich dich brauche!“.

Folgen der Mütterlichkeitsstörungen
Maaz unterteilt die Folgen durch die Störung der Mütterlichkeit durch das Eva-Ideal und die Verneinung bzw. die nicht Akzeptanz des Lilith-Anteiles folgendermaßen:

Falsche Mütterlichkeit: Fürsorge als Selbstwertmittel für die Mutter, Liebe für das Kind als Selbstdarstellung. Die Bedürfnisbefriedigung des Kindes erfolgt (scheinbar) aus selbstloser Liebe um die Bedürfnisse des Kindes zu erfüllen, gleichzeitig wird die ‚Aufopferung des eigenen Lebens‘ zur tragischen Inszenierung der Heldenmutter, die für das Kind alles tut – vor allem sich selbst Aufopfern.
Mutter sein als Helfersyndrom. Folgen für das Kind im Erwachsenenalter sind Schwierigkeiten, sich von der Mutter abzulösen.

Muttervergiftung: Fürsorge verknüpft mit der Botschaft: „Das ist mir zuviel! Ich brauche etwas von dir zurück!“ wird als erdrückend erlebte Überfürsorge von Müttern zur Muttervergiftung. Liebe, die von der Mutter kommt, ist vergiftet mit Erwartungen und der Aufforderung, dass das Kind die Bedürfnisse der Mutter befriedigt. Folgen für das Kind im Erwachsenenalter sind geringer Selbstwert, ewiges schuldig fühlen, …

Muttermangel: neben offensichtlichem Muttermangel (tote Mutter, Pflegemutter, …) kann durch die Selbstüberforderung in der Mutterrolle eine Ablehnung dieser Rolle erfolgen. Die’Mutterfähigkeit‘ ist ungenügend. Folgen für das Kind im Erwachsenenalter sind Flucht ins Materielle: Essen => Fressen, Tätigsein => Arbeitssucht, …

Mutterverwöhnung: es geht nicht um ein ‚zuviel‘ an Mütterlichkeit, sondern um das Befriedigen der kindlichen Bedürfnisse über die Befriedigung hinaus: mehr Essen als notwendig ist, um Hunger zu stillen, mehr Spielzeug als notwendig ist, um den Tag erfüllend zu gestalten, mehr als notwendig in allem. Folgen für das Kind im Erwachsenenalter sind Maßlosigkeit, Anspruchsdenken, …

Die Kind-Mutter: das eigene Kind ist das Symbol der Frau für das eigene Erwachsenwerden: das Kind wird benötigt, um den Sprung in die Erwachsenenwelt zu schaffen, ohne die entsprechende Reife zu haben. Nicht Mütterlichkeit findet das Kind vor, sondern bestenfalls eine ‚große Schwester‘. Im schlechtesten Fall ‚mißbraucht‘ die Mutter das Kind als Puppe zum „Mutter und Kind“ spielen. Folgen für das Kind sind, die eigene Weigerung ins Erwachsenleben einzutreten, Verantwortung nicht annehmen können, …

Die dunklen Seiten der Väterlichkeit
Maaz geht in der Folge auf den ‚Lilith-Komplex‘ im Mann ein, also Störungen der Väterlichkeit durch das Ablehnen bzw. der Angst des Lilith-Anteiles in der Partnerin. Er unterscheidet Vaterflucht, Vaterterror, Mutter-Männer und Mutter-Väter.

Folgen für die Gesellschaft
Die Verbreitung dieser Störungen ist so weit, dass sie entweder als Störungen gar nicht erkannt werden. Ist die Störung so massiv, dass eine Beeinträchtigung des individuellen Lebens da ist, wird diese oft nicht als Folge einer Mütterlichkeitsstörung wahrgenommen. Maaz analysiert diese Fälle in den Kapiteln „Der ‚frühgestörte‘ Mensch als Durchschnittsbürger“ und „Die ‚Gesellschaftsspiele‘ der Frühgestörten.“.

Plädoyer für Mütterlichkeitvon http://www.kunstnet.de/werk/77200-mutterliebe
schließt das Buch ab und beschreibt die drei wesentlichen Aufgabenbereiche der Mütterlichkeit :

  • gebären
  • ernähren
  • gewähren

Zusammenfassung
Insgesamt finde ich das Buch schwierig – nicht schwierig zu lesen, im Gegenteil, sondern durch die zahlreichen Fallbeispiele erfrischend lebensnah, nachvollziehbar und verständlich.
Das Schwierige am Inhalt ist, dass es herausfordert seine eigene Kindheit ehrlich zu reflektieren, Trauer über nicht Gehabtes auslöst und natürlich das Überdenken der eigenen Elternschaft anregt.
Gut, dass ich das Buch gelesen habe.

Ich habe recht, auch wenn ich mich irre

Carol Tavris, Elliot Aronson: Ich habe recht, auch wenn ich mich irre. Warum wir fragwürdige Überzeugungen, schlechte Entscheidungen und verletzendes Handeln rechtfertigen.

In vielen interessant zu lesenden Beispielen werden fragwürdige Überzeugungen, schlechte Entscheidungen und verletzendes Handeln in Fallbeispielen erzählt und die Reaktion der ‚Täter‘ darauf kommentiert, nachdem sie die Folgen bzw. die „Wahrheit“ erkennen (hätten) können. Warum wir lieber auf unseren falschen Sichtweisen beharren als zur objektiven Wahrheit oder zu hilfreicherem Handeln zu konvertieren, möchten die Autoren erklären.

Kognitive Dissonanz:
Was macht ein Sektenführer bzw. seine Anhänger, nachdem der angekündigte Weltuntergang doch nicht eingetreten ist? Für den 21. Dezember 1954 wurde das beobachtet: jene, die sich nicht vollständig auf den Weltuntergang eingelassen hatten, gaben ohne viel Aufregung den Glauben an die Sekte auf. Die Gläubigen, die ihr Hab und Gut verschenkt hatten, kamen nach dem ausgebliebenen Weltuntergang zum Schluss, dass sie durch ihr Beten den Weltuntergang abgewendet und so die Welt gerettet hätten (vielleicht stimmt’s ja ;-)).
Kognitive Dissonanz entsteht, wenn in uns eine aktuelle Sichtweise (z.B.: „Ich rauche eine Schachtel täglich.“) und eine neue Erkenntnis (z.B.: „Rauchen ist schlecht für meine Gesundheit.“) in Konflikt geraten und so mein Selbstbild gefährden. Diese Dissonanz erzeugt innere Spannungen, die wir auflösen wollen. Der Weg, das Rauchen aufzugeben, ist möglicherweise schwieriger als Gründe zu finden, warum ich rauche („So schädlich ist es ja gar nicht.“ „Ich kenne jemanden, der ist 100 Jahre alt geworden und hat auch geraucht.“, „Wenn ich aufhöre, nehme ich zu.“ …). Um unsere Identität (mit allen Glaubenssätzen, Werten und Entscheidungen) zu schützen, ignorieren und korrigieren wir auch nachweislich belegbare Sachverhalte.

Mit dem Modell der kognitiven Dissonanz lassen sich einige menschliche Verhaltensweisen erklären, auf den ersten Blick absurd erscheinen.

Die Entscheidungspyramide:
Das vereinfachte Modell der Entscheidungspyramide bedient sich der kognitiven Dissonanz und beschreibt die Manifestation von Einstellungen und Sichtweisen:
Zwei Personen (A und B) mit einer (noch) nicht ganz klaren Einstellung zu einem Sachverhalt (z.B.: Stehlen), stehen vor der Wahl einen € 100,- Schein, der im Büro verlockend herumliegt ungesehen zu nehmen. Beide stehen an der Spitze der Entscheidungspyramide.
A nimmt nun den Schein und steckt in für sich ein. A wird sein Verhalten für sich selbst begründen („Der geht ja niemanden ab“. „Selbst schuld, wer € 100,- herumliegen lässt“, …). Bei einer folgenden ähnlich gearteten Entscheidung wird A sich womöglich gleich verhalten – andernfalls würde er ja seine vorige Entscheidung bzw. sich selbst ‚verraten‘. Kommt A also wieder in die gleiche Situation, so rechtfertigt er sein damaliges Verhalten mit der gleichen Entscheidung und löst damit seine kognitive Dissonanz auf. Das heißt, A hat sich an der Spitze der Pyramide für eine bestimmte Seite entschieden und rechtfertigt mit jedem Schritt, den er die Pyramide hinuntersteigt, seine damalige Entscheidung und legt sich damit fest.
B überlegt vielleicht, lässt den Schein aber liegen. Auch er wird sein Verhalten für sich selbst begründen und bei der nächsten gleichen Entscheidung wird er sich wieder gleich verhalten – andernfalls würde er seine vorige Entscheidung bzw. sich selbst verraten: Er steigt auf der anderen Seite der Pyramide herunter.
Über die Zeit haben sich A und B in ihrer Einstellung zum Stehlen maximal weit voneinander entfernt.
Ein dramatisches Beispiel dazu ist das Milgram-Experiment: kein Teilnehmer hätte (wahrscheinlich) einen tödlichen Stromstoß verabreicht, wenn er das gleich nach der ersten Frage hätte tun sollen. Durch die Entscheidung für das Experiment an der Spitze der Entscheidungspyramide kommt er Schritt für Schritt weiter von seiner Grundhaltung weg. Würde er mitten drinnen abbrechen, müsste er alle seine vorher gemachten Entscheidungen revidieren.

Mit kognitiver Dissonanz und der darausfolgenden Entscheidungspyramide gehen die Autoren schließlich auf folgende verschiedene Aspekte ein:

Vorurteile und Stereotypen:
Auch bei Vorurteilen werden sachliche Argumente umgedeutet, um das eigene Vorurteil aufrecht zu halten können. Hier kommt noch „Gruppendenken“ dazu: Unterschiede innerhalb einer Gruppe werden nivelliert, Unterschiede zwischen Gruppen werden überhöht.
Und es kann gezeigt werden, dass Gruppenbildung sehr schnell und auf Grund der unscheinbarsten Merkmale erfolgt. So entstehen Glaubenssätze über Unterschiede zu den unterschiedlichen Gruppen und Gemeinsamkeiten innerhalb der Gruppen, die nur durch Verneinung der feststellbaren Wirklichkeit aufrechterhalten werden können.

Erinnerung und Gedächtnis:
Im Rückblick werden Erinnerungen so umgedeutet, dass sie unserer heutigen Sichtweise auf uns selbst entsprechen (um kognitive Dissonanz aufzulösen). Das kann auch dazu führen, dass objektive Fakten in der Erinnerung ganz anders aussehen. Als extreme Beispiele dazu führt Carol Tavris Menschen an, die fest der Überzeugung sind, von Außerirdischen entführt worden zu sein. Obwohl sich die Beschreibungen der Rahmenbedingungen ihrer gefühlten Erlebnisse auch psychisch-medizinisch erklären ließen, beharren sie auf ihrer Entführungserklärung.
Auch die Erinnerung an die eigene Kindheit oder Pubertät kann durch die aktuelle Selbsteinschätzung nachträglich im Gedächtnis verändert und als reale Erinnerung abgelegt werden, z.B.: „Ich bin gegen den Willen meiner Mutter von zu Hause ausgezogen um zu studieren“, wohingegen über Briefe belegbar ist, dass die Mutter viel Unterstützung geben musste, damit der Sohn den Schritt wagt und auszieht. Natürlich passiert das unbewusst und schleichend.

Amerikanisches Justizsystem, ungerechtfertige Mißbrauchsanschuldigungen, Beziehungen:
In weiteren Kapiteln und Beispielen erklärt Tavris von außen nur schwer nachvollziehbares Verhalten mit Hilfe der  Selbstrechtfertigung, die notwendig ist, um kognitive Dissonanz aufzulösen. Vom Ermittler, den seine einmal getroffene Entscheidung für einen Schuldigen dazu führt, Unschuldsbeweise und entlastende Zeugenaussagen zu ignorieren, DNA-Analysen abzulehen und sogar selbst Illegales zu tun, um seine eigene Sichtweise zu rechtfertigen. Psychiater, die Missbrauchsfälle aus Kinderaussagen konstruieren und nicht in der Lage sind, ihre Sichtweise an der Wirklichkeit zu überprüfen.
Interessant natürlich auch das Feld der Beziehungen: einerseits die Rechtfertigung, in einer schon schädlich gewordenen Beziehung zu verbleiben, andererseits die veränderte Sichtweise auf die Beziehung nach einer Trennung.

Den Abschluss bildet ein Zitat von Konfuzius, das hier inhaltlich widergegeben ist:

Ein großer Staat ist wie ein großer Mensch:
Wenn er einen Fehler macht, erkennt er diesen Fehler.
Wenn er ihn erkannt hat, gibt er ihn zu.
Wenn er ihn zugegeben hat, korrigiert er ihn.
Jene, die ihn auf Fehler aufmerksam machen, sieht er als seine wohlwollendsten Lehrer an.

oder

Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten.

Insgesamt fand ich das Buch interessant und gut zu lesen. Teilweise für mich fast zu USA-lastig in den Beispielen – aber trotzdem gut nachvollziehbar.

In diesem Sinne versuche ich mal, Selbstschutz und Selbstrechtfertigung wegzulassen
und offen die Realität anzunehmen – ohne Beurteilung und ohne moralische Bewertung.