Der Lilith-Komplex, Die dunklen Seiten der Mütterlichkeit

Hans-Joachim Maaz: Der Lilith-Komplex. Die dunklen Seiten der Mütterlichkeit

Eva und LilithDie dunklen Seiten der Mütterlichkeit.

Eva kennen wir aus der Bibel: sie ordnet sich (dem Mann) unter, ist (sexuell) passiv, fürsorglich, selbstlos, sich hingebend, kinderliebend, … Was in der Bibel nicht überliefert wird, ist der Mythos der Lilith, das archetypische Gegenstück zu Eva: egoistisch, kinderbekämpfend, dem Mann ebenbürtig, unabhängig, sexuell aktiv, … Lilith, die erste Frau Adams, die nicht bereit war sich unterzuordnen und vertrieben wurde, fand keinen Eingang in die Schöpfungsgeschichte.

Status der Mutter in der Gesellschaft
Maaz geht in seinem Buch davon aus, dass die ausschließliche Kultivierung des am Vorbild der Eva ausgerichteten Frauenbildes und die Verdrängung des Lilith-Anteiles zu massiven Störungen in der deutschen Gesellschaft führt.

Die dunklen Seiten der Mütterlichkeit
Die Forderung der Kinder an ihre Mutter – Allgegenwart der Mutter, Einfühlung durch die Mutter, Befriedigungsfähigkeit des Kindes durch die Mutter, realistätsgerechte Begrenzung – sind, durch die realistätsfremde Orientierung am Eva-Ideal, i.A. nicht erfüllbar. Die Überforderung führt zwangsläufig zur Abweisung der Kinder durch die unbewusste Haltungen der Mutter, die dem Kind gegenüber ausdrückt: „Sei nicht!“, „Sei nicht anstrengend, nicht lebendig!“, „Sei so, wie ich dich brauche!“.

Folgen der Mütterlichkeitsstörungen
Maaz unterteilt die Folgen durch die Störung der Mütterlichkeit durch das Eva-Ideal und die Verneinung bzw. die nicht Akzeptanz des Lilith-Anteiles folgendermaßen:

Falsche Mütterlichkeit: Fürsorge als Selbstwertmittel für die Mutter, Liebe für das Kind als Selbstdarstellung. Die Bedürfnisbefriedigung des Kindes erfolgt (scheinbar) aus selbstloser Liebe um die Bedürfnisse des Kindes zu erfüllen, gleichzeitig wird die ‚Aufopferung des eigenen Lebens‘ zur tragischen Inszenierung der Heldenmutter, die für das Kind alles tut – vor allem sich selbst Aufopfern.
Mutter sein als Helfersyndrom. Folgen für das Kind im Erwachsenenalter sind Schwierigkeiten, sich von der Mutter abzulösen.

Muttervergiftung: Fürsorge verknüpft mit der Botschaft: „Das ist mir zuviel! Ich brauche etwas von dir zurück!“ wird als erdrückend erlebte Überfürsorge von Müttern zur Muttervergiftung. Liebe, die von der Mutter kommt, ist vergiftet mit Erwartungen und der Aufforderung, dass das Kind die Bedürfnisse der Mutter befriedigt. Folgen für das Kind im Erwachsenenalter sind geringer Selbstwert, ewiges schuldig fühlen, …

Muttermangel: neben offensichtlichem Muttermangel (tote Mutter, Pflegemutter, …) kann durch die Selbstüberforderung in der Mutterrolle eine Ablehnung dieser Rolle erfolgen. Die’Mutterfähigkeit‘ ist ungenügend. Folgen für das Kind im Erwachsenenalter sind Flucht ins Materielle: Essen => Fressen, Tätigsein => Arbeitssucht, …

Mutterverwöhnung: es geht nicht um ein ‚zuviel‘ an Mütterlichkeit, sondern um das Befriedigen der kindlichen Bedürfnisse über die Befriedigung hinaus: mehr Essen als notwendig ist, um Hunger zu stillen, mehr Spielzeug als notwendig ist, um den Tag erfüllend zu gestalten, mehr als notwendig in allem. Folgen für das Kind im Erwachsenenalter sind Maßlosigkeit, Anspruchsdenken, …

Die Kind-Mutter: das eigene Kind ist das Symbol der Frau für das eigene Erwachsenwerden: das Kind wird benötigt, um den Sprung in die Erwachsenenwelt zu schaffen, ohne die entsprechende Reife zu haben. Nicht Mütterlichkeit findet das Kind vor, sondern bestenfalls eine ‚große Schwester‘. Im schlechtesten Fall ‚mißbraucht‘ die Mutter das Kind als Puppe zum „Mutter und Kind“ spielen. Folgen für das Kind sind, die eigene Weigerung ins Erwachsenleben einzutreten, Verantwortung nicht annehmen können, …

Die dunklen Seiten der Väterlichkeit
Maaz geht in der Folge auf den ‚Lilith-Komplex‘ im Mann ein, also Störungen der Väterlichkeit durch das Ablehnen bzw. der Angst des Lilith-Anteiles in der Partnerin. Er unterscheidet Vaterflucht, Vaterterror, Mutter-Männer und Mutter-Väter.

Folgen für die Gesellschaft
Die Verbreitung dieser Störungen ist so weit, dass sie entweder als Störungen gar nicht erkannt werden. Ist die Störung so massiv, dass eine Beeinträchtigung des individuellen Lebens da ist, wird diese oft nicht als Folge einer Mütterlichkeitsstörung wahrgenommen. Maaz analysiert diese Fälle in den Kapiteln „Der ‚frühgestörte‘ Mensch als Durchschnittsbürger“ und „Die ‚Gesellschaftsspiele‘ der Frühgestörten.“.

Plädoyer für Mütterlichkeitvon http://www.kunstnet.de/werk/77200-mutterliebe
schließt das Buch ab und beschreibt die drei wesentlichen Aufgabenbereiche der Mütterlichkeit :

  • gebären
  • ernähren
  • gewähren

Zusammenfassung
Insgesamt finde ich das Buch schwierig – nicht schwierig zu lesen, im Gegenteil, sondern durch die zahlreichen Fallbeispiele erfrischend lebensnah, nachvollziehbar und verständlich.
Das Schwierige am Inhalt ist, dass es herausfordert seine eigene Kindheit ehrlich zu reflektieren, Trauer über nicht Gehabtes auslöst und natürlich das Überdenken der eigenen Elternschaft anregt.
Gut, dass ich das Buch gelesen habe.

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