MUT TUT GUT

Schoenaker, Theo: MUT TUT GUT. Das Encouraging Training.

Das Encouraging-TrainingTheo Schoenaker klärt behutsam die Aspekte eines selbstverantworteten Lebens und zeigt Wege, sich selbst dorthin zu bringen. Sein Ansatz ist die „Ermutigung“, auf Englisch „Encouraging“.

Den Leser/die Leserin teilweise persönlich ansprechend, startet das Buch bei der „Entmutigenden Gesellschaft„: viele Menschen werden in und durch unserer Gesellschaft entmutigt und leben recht und schlecht mit dem Verlust von Sicherheit und haben Minderwertigkeitsgefühle entwickelt – jedoch in einem normalen, (v)erträglichen Bereich. Insgesamt führt diese Entmutigung jedoch zu „Vermeidung„:
das, was ich machen möchte, das, was ich sehne, kann ich nicht ausleben, da ich entmutigt vermeide. Schoenaker führt hier konkrete Beispiele an, wie sich Vermeidung in Partnerschaft ausdrückt.

Aber es gibt auch „Ermutigende Erkenntnisse“ über den Menschen selbst, als soziales Wesen, als Entscheidung treffendes Wesen, als zielorientiertes Wesen – aber auch als unvollkommenes Wesen. Schoenaker nennt vier Prioritäten, die das Verhalten des Menschen wesentlich bestimmen:

  • Bequemlichkeit
  • Gefallen wollen
  • Kontrolle
  • Überlegenheit

Die vier Prioritäten sind an sich wertneutral und bei Menschen in unterschiedlichster Gewichtung (Prioritäten) vorzufinden. Jede Priorität hat sowohl positive als auch negative Entwicklungstendenzen in sich. Ein ermutigter Mensch wird seine Prioritäten positiv entfalten, ein entmutigter Mensch negativ. Als Beispiel führe ich Bequemlichkeit an, die ein ermutigter Mensch als „mit sich zufrieden“ ausleben kann, ein entmutigter als „drückt sich vor Verantwortung“.

Schließlich geht es an die Theorie der „Ermutigung“ selbst: Was wirkt ermutigend? und vor allem: Wie werde ich selbst mutiger (oder besser: mutvoller)? So klar die Antwort auf den ersten Blick scheinen mag, so vorsichtig sollte sie gegeben werden: Wie wirkt Belohnung? Ist Lob wirklich ermutigend? Hier kann „der gesunde Menschenverstand“ in guter Absicht mehr Schaden anrichten, als er nützt.

Im Kapitel „Erstrebenswerten Qualitäten“ zählt Schoenaker die für das Zusammenleben zehn wichtigsten Qualitäten auf, beschreibt und argumentiert sie. Es sind dies:

  • Interesse für andere
  • Aufmerksames Zuhören
  • Begeisterung
  • Geduld
  • Der freundliche Blick
  • Die freundliche Stimme
  • Das Gute erkennen
  • Versuche und Fortschritte anerkennen
  • Selbstverantwortliches Handeln
  • Körpernähe (-kontakt) herstellen

Schließlich erläutert Schoenaker „Wege zur Selbst- und Fremdermutigung“ und gibt hier Vorschläge, wie über einen konstruktiv geführten Inneren Dialog Selbstermutigung (und damit die Voraussetzung für Fremdermutigung) passiert. Abgerundet ist auch dieses Kapitel mit Beispielen, hier gibt es auch konkret umsetzbare Übungen.

Das Buch hilft in das Thema Ermutigung, das eng gekoppelt ist mit Selbstwert bzw. Minderwertigkeitsgefühl, Wagemut bzw. Vermeidung, Erfolg bzw. Versagensängsten, … einzusteigen und macht wirklich Mut, selbst aktiv zu ermutigen.

Andere, und vor allem: sich selbst.

MUT TUT GUT ist kein Trainingsbuch oder Ersatz für ein Encouraging-Training: es beschreibt die Basisüberlegungen und gibt einen tiefen, nachvollziehbaren Einblick in die Sichtweise Schoenakers und begründet damit sein Encouraging-Training nach dem Schoenaker-Konzept.

Der Schreibstil des Buches ist sehr ‚weich‘ und transportiert die Inhalte gut annehmbar. Insgesamt ist „Mut Tut Gut“ leicht lesbar und empfehlenswert für alle, die intensiv mit Menschen umgehen dürfen.

Übrigens: Das Leben ist schön :-),
Thomas

P.S.: Mein Lieblingsvideo zum Thema: Dare. Change.

Woher kommt der Charakter?

Sind Charakter-Eigenschaften gesellschaftlich geprägt?
Oder genetisch?

Oder etwas dazwischen?

Nehmen wir als Beispiel „Aggressivität„. Gibt es ein „Aggressions“-Gen?
Also, ist es durch eine Gen-Analyse feststellbar, ob jemand aggressiv ist oder sanftmütig?

Möglicherweise ist Aggressivität aber weder gesellschaftlich noch genetisch festgelegt: was, wenn tiefsitzende charakterliche Eigenschaften während der Schwangerschaft geprägt werden? Eben in jener Zeit, in der der Embryo über die Nabelschnur mit der Mutter verbunden ist und am gleichen Blutkreislauf alle emotionalen Regungen voll mit- und abbekommt?

Schwangere FrauEntwickelt sich ein Embryo gleich, wenn die Mutter während der Schwangerschaft ständig unter Stress steht, gereizt ist und das Kind im Bauch mit den dazugehörigen Hormonen geschwemmt wird, oder anders, als wenn das Kind dauernd mit Glückshormonen durchflutet wird?

Wenn die charakterlichen Eigenschaft während der Schwangerschaft geprägt werden, dann kommt das Kind auf die Welt, hat bereits (möglicherweise sogar stark ausgeprägte) charakterliche Eigenschaften – und wir würden feststellen: „Das muss mit den Genen mitgekommen sein …“. Was ja auch stimmen kann, da ja die epigenetische Einstellung der Gene während der Schwangerschaft die Präposition des Kindes bestimmt. Aber ist diese epigenetische Einstellung der Gene während der Schwangerschaft beeinflussbar? Und wenn ja, wodurch?

Mich würde interessieren,
was folgender (Tier-)Versuch ergeben würde:
Eher aggressiver Hund
Bei zwei trächtigen Hündinnen, die unterschiedliche charakterliche Eigenschaften haben, werden möglichst früh ein Teil der befruchteten Eizellen ausgetauscht (keine Ahnung ob und wie das gehen kann). Ich stelle mir also eine aggressive Bullterrier-Hündin (A) und eine sanftmütige Berner Sennhündin (S) vor, die jeweils von der gleichen Rasse trächtig ist.
Durch den ‚befruchteten Eier-Tausch‘ trägt A a-Welpen (Aa) und auch sanftmütige s-Welpen (As) aus, ebenso S, die dann Sa und Ss Welpen wirft.

Ist es 1? Ist die Aggressivität der Welpen in den Genen hart kodiert, so Eher sanftmütiger Hundmüsste A nun aggressive (Aa) und sanftmütige (As) Welpen werfen. Ebenso wirft S aggressive und sanftmütige Welpen (Sa und Ss).
Oder 2? Hat sich die Aggressivität der Welpen jedoch erst während der Tragezeit entwickelt, so müssten alle Welpen von A (Aa und As) aggressiv sein, die Welpen von S (Sa und Ss) hingegen alle sanftmütig auf die Welt kommen.
Oder 3? Ist die Aggressivität dieser Welpen ein Zufallsprodukt?
Oder 4? Vielleicht ist die Aggressivität bei den Welpen ja noch gar nicht ausgeprägt und entsteht erst nachträglich, durch die ‚Gesellschaft‘?

Würde mich interessieren was da rauskommt …
Wer weiß was?

Das Leben ist schön,
Thomas

Die Durchschnittsfalle

Markus Hengstschläger: Die Durchschnittsfalle. Gene-Talente-Chancen.Gene - Talente - Chancen

Markus Hengstschläger meint: Das österreichische Schulsystem ist besonders effektiv darin, die Schüler/innen auf ihre Mängel hinzuweisen und sie dazu zu bringen, Talente zu vernachlässigen und viel Zeit und Energie für die Arbeit an ihren Schwächen aufzuwenden, um dort ins Mittelmaß aufzusteigen und dabei gleichzeitig mit ihren Stärken ins Mittelmaß abzusinken. Das führt dazu, dass die Absolventen in vielen Gebieten durchschnittlich sind, zumindest nicht „Peak and Freak“.
Der gesellschaftliche Wunsch ist es offenbar, durchschnittlich und angepasst zu sein, nicht aufzufallen; jede Abweichung von der Norm ist suspekt und unerwünscht, besondere Leistungen werden nicht als solche (an)erkannt.

Doch es geht in diesem Buch nur am Rande um Schule.
Zentral geht es um die Fragen:

Wie bereiten ‚wir‘ uns (als Gesellschaft, als Menschheit) auf die unbekannten Fragen/Probleme, die in Zukunft zu lösen sein werden, vor?
Was sind „Talente“ eigentlich, was ist „Begabung“?
Sind für gute Leistungen (= Erfolge) genetische Dispositionen relevant?
Welchen Einfluss haben Gene, welchen Einfluss hat die Umwelt?

An Hand von Beispielen aus der Tierwelt und der Mechanismen der Genetik zeigt Markus Hengstschläger, wie fatal das Orientieren am Durchschnitt, wie unzulänglich das Reproduzieren von immer Gleichem für eine Gesellschaft ist. Um als Spezies, als Nation, als Gesellschaft das Überleben zu sichern, ist Vielfalt notwendig: niemand kann sagen, welche Eigenschaften, Talente, … in Zukunft hilfreich und wertvoll sein werden – je höher die Variationen, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass jenes Individuum in der Gesellschaft ist, dass rettend sein kann.

Zusammenfassung der Zusammenfassung:
Seine Kernaussagen hat Markus Hengsschläger in seinem Buch am Schluss zusammengefasst.

1.) Was wir wahrnehmen, ist nicht ein „Talent“, sondern der Erfolg (der mit einer bestimmten Fähigkeit erreicht wird). Wichtig ist Markus Hengstschläger in diesem Zusammenhang eine klare Begriflichkeit und er unterscheidet zwischen genetischer Leistungsvoraussetzung (wie z.B.: Muskelaufbau) und der Erbringung einer besonderen Leistung (= Erfolg). Für den Erfolg sind sowohl gute genetische Voraussetzungen („Nature“) als auch eine unterstützende Umwelt („Nurture“) notwendig. Also einerseits gewisse Leistungsvoraussetzungen und andererseits „üben, üben, üben“. Der ‚Talentträger‘ kann sein Talent, seine Leistungsvoraussetzungen, selbst als solches i.A. kaum wahrnehmen bzw. beschreiben. Er wird auf die Frage, wie er das so gut macht, typischerweise antworten: „Ich kann’s einfach.“

2. JEDER Mensch weist individuelle Begabungen auf und jeder Mensch hat das Recht, seine Talente zu ignorieren, also gute Leistungsvoraussetzungen nicht durch das notwendige „üben, üben, üben“ zum Erfolg zu führen.
Und jeder Mensch hat das Recht, fehlenden Leistungsvoraussetzungen zu ignorieren, also eine geringere Leistungsvoraussetzungen durch Begeisterung, „üben, üben, üben“, … zu kompensieren.
Andernfalls ergäben sich eine Reihe freiheitseinschränkender, ethischer Probleme.

3. Jedes Talent kann in der Zukunft wertvoll sein, selbst wenn es heute als wertlos angesehen wird.
Insofern ist es auch heute bereits wertvoll.

4. Die Erhaltung höchstmöglicher Individualität ist das Ziel für eine Spezies, nicht das Erreichen gemeinsamer, durchschnittlicher Fähigkeiten.

5. Schöpferisches Streben nach Neuem ist die einzig sinnvolle Überlebensstrategie (für eine Gesellschaft).

Bei mir ist der Inhalt so angekommen:
Das Buch ist lesenswert: inhaltlich interessant, mit Geschichten und Fallbeispielen aus Biologie und Gesellschaft hinterlegt, hat man das Gefühl, Hengstschläger sitzt einem gegenüber und erklärt euphorischDas besondere Talent: Gene oder 'Üben, üben, üben"? und begeistert seinen Standpunkt, der teilweise persönlich (gefärbt) und subjektiv ist und auch in Frage gestellt werden könnte. Eine kurzweilige Lektüre zu einem schweren Themen.
Etwas lähmend empfand ich, dass sich manche Ideen und die Argumentation dazu im Buch öfter wiederholt als (für mich) notwendig (keine Ahnung, wie oft Elina Garanca, Lionel Messi oder Placido Domingo erwähnt werden und wie oft auf das eine Beispiel mit den Süsswasserpolypen verwiesen wird) – andererseits kamen für mich konkrete Beispiele (aus Biologie und Genetik) zu kurz: eine noch größere Vielfalt an Beispielen hätte dem Inhalt meiner Meinung nach noch mehr Kraft gegeben.

Was nehme ich mir mit:
Für mich wesentlich ist, dass das Buch aus einer weit verbreiteten und im österreichischen Schulsystem organisatorisch festgegossenen begrenzten Sichtweise der egozentrischen Individualität („Ich bin besser als die dumme Masse.“) hin zur erweiterten Sichtweise der altruistischen Individualität („Ich bin anders und ihr seid anders und das ist wertvoll für uns alle.“) führt.

Ich hoffe und wünsche mir, dass Markus Hengstschlägers Buch Wenn die Ziege schwimmen lernt.Entscheidungsträger und Ausführende im ganzen Land, vor allem aber jene, die in ihrer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, zur Förderung altruistischer Individualität inspiriert und motiviert.

Das Leben ist schön,
Thomas 🙂

P.S.:  „Wie die Ziege schwimmen lernt“ fasst Hengstschlägers Buch als Metapher für Kinder, Lehrer/innen und Eltern zusammen 😉