Die Kunst des klaren Denkens

52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassenRolf Dobelli: Die Kunst des klaren Denkens.
52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen.

„Denkfehler sind systematische Abweichungen zur Rationalität, zum optimalen, logischen, vernünftigen Denken und Verhalten“ definiert Rolf Dobelli in seinem Vorwort. Vorerst hat er diese Denkfehler nur für sich gesammelt, dann in einer wöchentlichen Kolumne in der Frankfurter Allgmeinen Zeitung veröffentlicht und schließlich ist daraus dieses Buch geworden. Ich fand also 52 in etwa gleich lange Gedankensplitter zu psychologischen Fallen, in die wir Menschen gerne tappen (zumindest, wenn sie uns nicht bewusst sind).

Welcher Art diese Denkfehler nun sind, zeigt die folgende Auswahl:

  • #5: „The Sunk Cost Fallacy“: Wer Energie, Zeit, Geld, Gefühle, … in ein „Projekt“ investiert hat, hält möglicherweise am Projekt fest, obwohl bereits ersichtlich ist, dass ein erfolgreiches zu Ende führen des Projektes höchst unwahrscheinlich ist. Als Argument (zur Selbstüberlistung) dient dann gerne: „Jetzt habe ich bereits so viel investiert, da kann ich das Projekt jetzt doch nicht aufgeben.“ Als Entscheidungsgrundlage, ob ein Projekt weiter- bzw. fertiggeführt werden soll, kann aber nur der zu erwartende Erfolg/Gewinn dienen, nicht die Summe dessen, was bereits investiert wurde.
    Dieser Effekt lässt sich an vielen Beispielen zeigen: ein begonnenes Buch, das langweilig ist, wird fertiggelesen; ein uninteressanter Film fertiggeschaut; ein Studium wird mit Widerwillen abgeschlossen, weil man ja schon so weit ist; an einer finanzielle Investition ohne Rendite wird festgehalten, weil schon so viel Geld reingeflossen ist; eine problematische Partenerschaft wird aufrechtererhalten, weil es viel gemeinsames gibt; ein praktisch verlorener Krieg wird weitergeführt, weil die Zahl der Opfer schon so hoch ist; …).
    Die Dakota-Indianer wussten angeblich bereits: „Wenn du merkst, du reitest ein totes Pferd, dann steig ab.“
  • #14: „Der Rückschaufehler“: Möglicherweise hat Ihnen bereits jemals jemand irgendetwas gesagt wie: „Das habe ich schon kommen sehen.“ Vielleicht haben Sie das bereits auch selbst einmal gesagt. Und glücklicherweise haben Sie kein Tagebuch geführt, so dass Sie auch weiter nicht an Ihren prophetischen Fähigkeiten zweifeln müssen. Denn sehr oft erkennen wir Menschen im Rückblick Zusammenhänge, die vorher noch nicht klar waren. Es entsteht eine logisch nachvollziehbare Kette von Ereignissen und wir ‚vergessen‘ darüber, dass wir dies in der Vergangenheit nicht vorausgesehen haben (können), da wir nicht einmal alle Information hatten.
    Als großes Beispiel führt Dobelli den ersten Weltkrieg an, der ja ‚zwingend‘ aus dem Attentat in Sarajevo hervorging – jeoch nur aus der Rückschau: Die Kommentatoren jener Zeit konnten den Verlauf der Geschichte natürlich nicht vorhersehen.
    Ähnliches gilt für den Zerfall der UdSSR, die Wirtschaftskrise, Wahlausgänge, Beziehungsgeschichten, Stationen des eigenen Lebens, …
    D.h. wir neigen dazu, unsere prognostischen Fähigkeiten im Rückblick auf die Vergangenheit zu verifizieren – da haben wir jedoch bereits den Gesamtüberblick und -zusammenhang hergestellt. Der Rückschau-Fehler führt dazu, dass wir unsere prognostischen Fähigkeiten tendenziell überschätzen. Dobelli empfiehlt, ein Tagebuch zu führen um sich im Nachhinein mit seiner eigenen Sichtweise von damals zu konfrontieren: damit Sie herausfinden „welch schlechter Prognostiker Sie sind„.
  • #35: „Exponentielles Wachstum“: Für viele Menschen (vielleicht sogar für alle) ist es schwierig, die Größenordnung exponentiellen Wachstums intuitiv zu erfassen. Was bedeutet es, wenn die jährliche Teuerung 3,5 % beträgt? Nächstes Jahr kostet eine Wurstsemmel statt € 1,- halt € 1,04 – also nicht so schlimm. Allerdings wird bei dieser Teuerungsrat in ca. 20 Jahren alles doppelt so teuer wie heute sein. Oder anders herum: Ihr beiseite gelegtes Geld ist nur mehr die Hälfte wert. Exponentielles Wachstum ...Genauso wie der Frosch im Wasserkocher, der den langsamen Temperaturanstieg nicht bemerkt, unterschätzen wir exponentielle (also Zinsenzins-)Effekte in ihrer Größenordnung. Hier gibt Dobelli den Tipp: Rechnen Sie aus, wann eine Verdoppelung der Menge eintritt und zwar mit 70/prozentuelle Steigerung. Wenn es in einer Stadt zum Beispiel jedes Jahr 5 % mehr Hunde gibt, so würden ohne Gegenmaßnahmen in 70/5 = 14 Jahren doppelt so viele Hunde in der entsprechenden Stadt leben.

Zusammenfassung:

Insgesamt 52 solcher mehr oder weniger verwunderlichen Fehlleistungen hat Dobelli zusammengetragen und mit Beispielen privater Natur oder aus dem Bereich der Wirtschaft, hier speziell aus dem Anlagebereich, illustriert. Die Bezeichnung „Denkfehler“ und „Die Kunst des klaren Denkens“ finde ich irreführend – eher sind es Fehler, die durch unreflektiertes, intuitives Handeln, Selbstrechtfertigung, Vermeidung, Angst, Selbstüberschätzung, …. entstehen.
Durch Denken wären die Entscheidungen klar als ‚wenig hilfreich‘ bzw. ’schädlich‘ identifizierbar –
nur denken wir seltener, als wir denken, dass wir denken.

Insgesamt war das Buch eine kurzweilige Lektüre und durch die 52 abgeschlossenen Artikel auch leicht zwischendurch lesbar. Die Beispiel sind zwar etwas einseitig wirtschaftlich, aber leicht in die verschienden Lebensbereiche transferierbar.
Vor allem bei anderen Menschen in meiner Umgebung habe ich die beschriebenen Fehler ja auch gleich wiedererkannt 😉

Das Leben ist schön!
Thomas