Die vierzig Geheimnisse der Liebe

Elif Shafak: Die vierzig Geheimnisse der LiebeDie vierzig Geheimnisse der Liebe

Ella hat eine neue Arbeit als Lektorin und soll als ersten Auftrag ein Gutachten über „Süße Blasphemie“ schreiben, ein Buch über den Sufi-Gelehrten Rumi und dessen Freund und Lehrer Schams-e Tabrizi schreibt.

Soweit der Erzählrahmen, in den das Bild des Orients vor den Jahren 1250 eingespannt ist.

Ella

Ella wohnt in Northampton, ist vierzig, hat Familie mit Ehemann, drei Kindern und einen Hund.
Elif ShafakMit dem Lesen des Buches über Schams-e Trabrizi und dem Eintauchen in die Welt des Sufismus verändert sich auch Ellas Weltsicht: im Laufe der Lektüre findet sie zu sich selbst, gelangt zu tieferen Einsichten des „frei-Seins“ und der allumfassenden Liebe.
Die sufistischen Weisheiten (beispielhaft ausgelegt in den Geschichten um die vierzig Geheimnisse der Liebe) ziehen Ella an. Diese Sufi-‚Regeln‘ und der eMail-Kontakt mit Aziz Z. Zahara, dem Autor des Buches, führen sie schließlich zur Überwindung ihres monoton-langweilig-unzufrieden-gesicherten Lebens hin zu einem bewegt-interessant-zufrieden-ungesicherten Leben.
Und zu einer tiefen Liebe, zu einer Liebesbeziehung mit Aziz.

Schams

Shamse_TabriziDer Hauptcharakter ist jedoch Schams-e Tabrizi, ein Sufi, ein Derwisch, ein Vertreter eines muslimisch-asketischen Ordens, ein muslimischer Wandermönch: er ist auf dem Weg zum Islam-Gelehrten Rumi, dessen Ruf als Lehrer über die Grenzen der Stadt Konya hinweg reicht: Schams zieht es zu Rumi, in dessen Haus er schließlich einige Jahre verbringen wird und mit dem er eine innige freundschaftliche (Liebes-)Beziehung knüpft. Schams macht sich durch sein Eintreten für die untersten der Gesellschaft (Huren, Alkoholiker, Bettler, …) in Konya Feinde. Auch im Hause Rumis entsteht Eifersucht und Neid durch den großen Einfluss, den Schams auf Rumi ausübt.
Ob Schams ermordert wurde oder nach Khoy ging (wo sein Grabmal ist) und dort eines natürlichen Todes starb, lassen die historischen Quellen offen.

Rumi

Meeting_of_Jalal_al-Din_Rumi_and_Molla_Shams_al-DinSchams trifft auf Rumi und ein intensiver geistig-seelischer Austausch beginnt, der Rumi die mystische (Gottes-)Liebe lehrt und ihn schließlich vom Gelehrten zum gelebten Sufismus bringt. Als Schams-e Tabrizi schließlich überraschend verschwindet und Rumi zurücklässt, beginnt dieser in Sehnsucht und tiefer Trauer über seinen Freund Verse sufistischer Weisheit, Liebe und Sehnsucht zu schreiben, die ihn zum bedeutensten persischen Dichter des Mittelalters machen.
Seine Anhänger nennen ihn Maulana, unser Meister.

Die vierzig Geheimnisse der Liebe

Die sufistischen Regeln, Gesetze oder eben Geheimnisse der Liebe sind in die Geschichten des Buches eingeflochten bzw. werden an Hand von Episoden dargestellt. Eine Auswahl der Geheimnisse oder Regeln:

Derwisch„Leb das Leben so leicht und leer wie die Null.
Wir sind wie Töpfe: nicht die äußere Verzierung, sondern die innere Leere hält uns aufrecht. Und ebenso lässt uns nicht das, was wir erreichen wollen, durchhalten, sondern das Bewusstsein des Nichts.“

„Nichts soll zwischen dir und Gott stehen: keine Imame, keine Priester, Rabbis oder sonstige Religionsführer und Wächter der Moral.
Ja, nicht einmal dein Glaube.
Eine religiöse Pflicht, mit denen man anderen das Herz bricht, ist unrecht.“

„Die Vergangenheit ist eine Deutung, die Zukunft nichts als ein Truggebilde. Die Welt bewegt sich nicht wie auf einer Linie von der Vergangenheit in die Zukunft durch die Zeit, sondern die Zeit bewegt sich in endlosenSpiralen in uns und durch uns hindurch.
Ewigkeit bedeutet nicht unendlich Zeit, sondern Zeitlosigkeit.“

Das Buch

Das Buch hat mich inspiriert und sehr friedvoll-beruhigt zurückgelassen. Die Geschichte – obwohl teilweise grausam – lässt mich mit einem guten Gefühl zurück, irgendwie einer erweiterten Fröhlichkeit.
derwisch-tanzDie Geschichte selbst hat mich angezogen: das Eintauchen in die Welt des Islam bzw. in die sufistische Auslegung hat mich an vielen Stellen sehr inspiriert und an die christlichen Wurzeln des Koran erinnert. Das, was ich aus Medien über die isalmische Welt bzw. den Islam weiß, die Vorurteile, stelle ich hiermit in Frage und bin über die Erweiterung meiner Sichtweise sehr froh.

Der Einstieg ist mir schwer gefallen: die Sprache ist mir holprig erschienen, irgendwie wenig elegant und hölzern, nur abschnittsweise schön zu lesen. Bei mir tritt dann erst einmal die Frage auf: Liegt es am Ausgangsmaterial oder an der Übersetzung? Ich hätte nun wirklich Lust, das Buch in englisch zu lesen … mal sehen ob ich das schaffe.

Das Buch war so anregend, dass ich mir das Buch „Sufismus“ bestellt habe, um noch mehr zu erfahren.

Das Leben ist schön,
sagten sicherlich auch Schams-e Tabrizi und sein Freund Rumi
Thomas 🙂