Status-Spiele: Wie ich in jeder Situation die Oberhand behalte

StatusSpieleTom Schmitt, Michael Esser: Status-Spiele
Wie ich in jeder Situation die Oberhand behalte

Die Idee bzw. der Begriff „Statusspiele“ kommt von Keith Johnstone, der Improvisationstheater weiterentwickelt (Theatersport) und ihm auch zu einer gewissen Popularität verholfen hat. Aus Johnstones Erfahrung als Dramaturg, Regisseur und Studioleiter entwickelte sich die Erkenntnis, dass Geschichten ihre Spannung (immer) aus dem Wettstreit zwischen Dominanz und Unterwerfung nehmen bzw. aus dem Wandel der Person(en) in diesem Spannungsfeld.

Status oder Stand oder Stellenwert

Im Vorwort weisen Tom Schmitt und Michael Esser auch knapp auf Johnstone hin und führen dann im ersten Teil des Buches in dessen ‚Status-Modell‘ ein. Dieses geht immer von einer ‚face-to-face‘-Situation zwischen zwei Personen aus und stellt die Frage:

  • Welchen Stand, welchen Stellenwert fühle ich bzw. möchte ich in dieser Situation zugestanden haben?
  • Welchen Status habe ich wirklich bzw. wird mir vom anderen zugestanden?

Innerer und äußerer Status, Statusgerangel

Damit ergibt sich auch schon die Unterscheidung zwischen äußerem Status
(was ich nach außen repräsentiere, was bei den anderen ankommt) und innerem Status
(was ich sein möchte). begrüßungBei jedem sozialem Zusammentreffen kommt es unweigerlich zu Status-„Spielen“, also dem Abgleich des persönlichen Stellenwertes gegenüber dem anderen. Relevant ist dabei nicht eine absolut definierte, abstrakte Statusgröße, sondern der relative Unterschied zwischen den Personen, die gerade aufeinandertreffen. Der relativ höhere Status wird in Folge Hochstatus bezeichnet, der relativ tiefere als Tiefstatus.

gaddafiHier gilt: Ist der Statusunterschied von vornherein klar, braucht auch gar nicht ‚gerangelt‘ zu werden. Je geringer jedoch der Statusunterschied, desto schwieriger, aufwändiger und subtiler verläuft das Aushandeln der Statuspositionen.

Keith Johnstone nennt dieses Status-Gerangel Spiel, im Sinne von Theaterspiel – und rät, es auch im ‚echten Leben‘ so zu sehen und es auch auszuprobieren: Zuerst allerdings bei zufälligen Begegnungen mit Unbekannten.

Status-Archetypen

Westafrikanisches_StachelschweinTendenziell entspringt der innere Hochstatus dem Wunsch nach Distanz, der innere Tiefstatus dem Wunsch nach Nähe, der ‚außen hoch‘-Status möchte respektiert werden, der ‚außen tief‘-Status wünscht sich Sympathie.
Damit lassen sich im Status-Spiel vier Status-Archetypen unterscheiden:

  • Der Macher: Ich fühle mich innen hoch und spiele außen hoch
    „Ich möchte Distanz und Respekt“ =>
    bekommt tendenziell Respekt, jedoch keine Sympathie
  • Der Charismatiker: Ich fühle mich innen hoch und spiele außen tief
    „Ich möchte Distanz und Sympathie“ =>
    bekommt tendenziell Respekt und Sympathie
  • Der Teamplayer: Ich fühle mich innen tief und spiele außen tief
    „Ich möchte Nähe und Sympathie“ =>
    bekommt tendenziell Sympathie, jedoch keinen Respekt
  • Der Arrogante, die Zicke: Ich fühle mich innen tief und spiele außen hoch
    „Ich möchte Nähe und Respekt“ =>
    bekommt tendenziell weder Sympathie noch Respekt

Bulldogge nach StachelschweinkontaktLeider lässt sich Nähe und Respekt wie auch Distanz und Sympathie kaum gleichzeitig erringen, so dass ich möglicherweise mit meinem Verhalten nicht das bekomme, was ich mir wünsche.

Status und Konfliktverhalten

Statusgerangel ist gut in Konfliktsituation zwischen zwei einander unbekannten Menschen zu beobachten – denn der Statushöhere wird als Sieger aus dem Konflikt gehen. warteschlangeAls einfaches, plakatives Beispiel für ein Statusgerangel in einer Konfliktsituation kann bereits die Warteschlange vor der Supermarktkassa dienen: Wie würden die unterschiedlichen Status-Archetypen die folgende Frage beantworten:
„Entschuldigung Sie, ich habe nur ein Joghurt. Kann ich bitte vor, ich habe es nämlich sehr eilig.“?

  • innen hoch/außen hoch: „Das ist jetzt nicht möglich, ich habe es nämlich auch eilig. Tut mir leid.“
  • innen hoch/außen tief: „Sie haben nur das Joghurt? Ja, dann gehen sie halt vor. Bitte sehr.“
  • innen tief/außen tief: „Ja, ja gehen Sie nur vor. An mir drängen sich sowieso immer alle vorbei. Da ist es jetzt auch schon egal, dass ich wieder zu spät komme. So gehen Sie doch schon vor.“
  • innen tief/außen hoch: „Was? Das kann doch nicht wahr sein! Fragt mich der, ob ich ihn vorlasse. Ja glauben Sie denn, ich habe nichts zu tun? Sowas! Wenn ich warten kann, dann können Sie das auch.“

Da Status relativ ist, wird die Antwort unterschiedlich ausfallen, je nachdem, wer die Frage gestellt hat: ist es mein Chef, der da zufällig hinter mir in der Reihe steht? Oder vielleicht eine Nonne oder mein unangenehmer Nachbar? Ein alkoholisierter Jugendlicher oder …

Das Konfliktverhalten der verschiedenen Typen kann zusammengefasst werden als

  • innen hoch/außen hoch = Konflikterzeuger, sucht den Konflikt
  • innen hoch/außen tief = Konfliktlöser, deeskaliert den Konflikt
  • innen tief/außen tief = Konfliktvermeider, verweigert den Konflikt
  • innen tief/außen hoch = Konfliktverschärfer, treibt den Konflikt hoch

Den anderen Status erkennen

Wir senden ständig (typischerweise unbewusst) Status-Signale aus, ebenso empfangen wir ständig (typischerweise unbewusst) Status-Signale von anderen und reagieren darauf. bettler_fDer Status ist erkennbar an Inhalt und Art der Kommunikation, an der Körpersprache und am Einsatz von Statushebern (z.B. großes Auto, Uniform, …) bzw. Statussenkern (z.B. Kleidung ‚under-dressed‘, hauchige Stimme, …).

Status-Artisten

Jeder von uns kennt und kann grundsätzlich alle vier verschiedenen Status-Positionen einnehmen, eventuell in unterschiedlichen Kontexten und Stimmungslagen. Und jeder von uns hat einen bevorzugten inneren Status, den er besonders gut ‚kann‘ und den er praktisch automatisch in Stresssituationen, z.B. bei einer Konfrontationen, einnimmt. Der ‚innen tief‘-Status z.B.: läuft praktisch automatisiert ab. Im Gegensatz dazu ist es Menschen mit ‚innen hoch‘-Status unter Umständen auch möglich, mit dem äußeren Status (bewusst) zu jonglieren: Hoch- oder Tiefstatus, wie sie es gerade brauchen, um ihr Ziel zu erreichen. Diese werden als Status-Artisten bezeichnet.
Dieses Jonglieren ist allerdings nur mit dem ‚innen-hoch‘-Status möglich, der ‚innen-tief‘-Status schafft das nicht. Der Innen-Status kann als Gerüst gesehen werden, an dem der Außen-Status, die Fassade, befestigt ist: Nur wenn das Gerüst stabil ist, lässt sich die Außenfassade stabil und variabel gestalten. Ist das Gerüst schwach, so bröckelt auch bald die Außenfassade ab.

Den eigenen Status einsetzen, die Statuswippe

Gelingt es mir (meine eigenen) Status-Spiele bewusst zu machen, so kann ich daran arbeiten, sie auch bewusst, als Schauspieler und Regisseur meines Lebens, zu spielen. D. h. vor allem, ich muss den Status des anderen erkennen und meinen eigenen Status bewusst verändern können. Keith Johnstone nennt das die Statuswippe. Die Statuswippe einsetzen zu können – also bewusst meinem eigenen Status über oder unter den den anderen zu stellen – ist notwendig, um meine Ziele zu erreichen und gleichzeitig den Kontakt, die Beziehung, zum anderen nicht zu verlieren.

Jetzt komme ichFür den raschen, automitsierten Wechsel zwischen Hoch- und Tiefstatus schlägt Johnstone persönliche „Mantras“ vor, die man sich in einer ruhigen Minute überlegen kann und sie für den Ernstfall einprobt. Merke ich also, dass ich in einem Tiefstatus bin, so kann ich innerlich zu mir z.B. sagen „Hoppla, jetzt komm‘ ich!“ und mich dadurch in den Hochstatus bringen (mit der entsprechenden inneren Stimme und Änderung der Körperhaltung).

Umgekehrt kann mich ein inneres „Ich bewundere dich!“ in den Tiefstatus wechseln lassen. Diese Mantras sind natürlich individuell – hier muss jeder finden, was ihm am Besten hilft.

Zusammenfassung

Das Buch ist (über weite Strecken) gut und leicht verständlich zu lesen. Vor allem die Beispiele und szenischen Dialoge sind sehr gut nachvollziehbar und unterhaltsam. Dazwischen gibt es aber auch Abschnitte, die ich für mich als ‚Vergewaltigung der Realität durch eine nicht vollständige Theorie‘ beschreiben möchte. Da ist es nicht gelungen, mich zu überzeugen. Das sind v.a. die Kapitel, die ich als Konzeptausweitung bezeichnen würde: Wo versucht wird, die sehr einfache Typologie über weitere, differenziertere Charaktere überzustülpen. Die stattfindenden Status-Spiele in Beruf und Partnerschaft werden teilweise sehr genau erklärt und detailliert beschrieben, gleichzeitig jedoch wieder relativiert und abgeschwächt.

Für mich ist das, was vom Grundkonzept Johnstones übernommen wurde, nachvollziehbar und solide beschrieben, gut erklärt und verständlich. Die Ausweitung auf Trainings- und Seminarinhalte – was vermutlich auch zu dem mißlungenen Untertitel „Wie ich in jeder Situation die Oberhand behalte“ geführt hat – ist für mich zu wenig griffig und teilweise zu spekulativ oberflächlich. Hier wurden Erklärungen gesucht, die nicht passend und auch vom Konzept „Status-Spiel“ her nicht notwendig sind.

keith JohnstoneInsgesamt ziehe ich die Originallektüre Johnstones diesem Buch vor. Als Einstieg und Überblickgeber über das Thema ist das (Taschen-)Buch sein Geld wert.

Egal welcher Status –
Das Leben ist schön :-),
Thomas